Ozeanisches Paradox: Obwohl die Meere weltweit immer wärmer werden, gilt dies nicht für die pazifische Tiefsee. Das Wasser unterhalb von 2.000 Metern Tiefe wird sogar um 0,02 Grad pro Jahrhundert kälter, wie die vergleichende Auswertung historischer Messungen enthüllt. Der Grund dafür: Der tiefe Pazifik reagiert mit einer Verzögerung von mehreren Jahrhunderten auf Temperaturtrends der Oberfläche – und befindet sich daher zeitlich noch in der „Kleinen Eiszeit“.
Die Ozeane sind ein wichtiger Klimapuffer unseres Planeten. Sie nehmen sowohl Kohlendioxid als auch Wärme aus der Umgebung auf und sorgen so für einen klimatischen Ausgleich. Während das Oberflächenwasser dabei relativ schnell auf Umweltveränderungen reagiert, ist dies bei der Tiefsee nicht der Fall: Wegen eines relativ langsamen Wasseraustauschs kann es Jahrhunderte dauern, bis sich Temperaturveränderungen oder CO2-Gehalte auch im Tiefenwasser niederschlagen.
Historische Expedition liefert Vergleichsdaten
Wie stark die verzögerte Reaktion der Tiefsee dem Klimageschehen hinterherhinken kann, haben nun Jake Gebbie von der Woods Hole Oceanographic Institution und sein Kollege Peter Huybers von der Harvard University aufgedeckt. Für ihre Studie verglichen sie aktuelle Temperaturmessdaten des Tiefenwassers in Atlantik und Pazifik mit Daten einer historischen Expedition in den 1870er Jahren. Damals hatten Wissenschaftler an Bord des Forschungsschiffs „HMS Challenger“ erstmals systematische Temperaturmessungen in den Ozeanen durchgeführt.
Das Ergebnis: Im Atlantik hat sich auch das Tiefenwasser seit den 1870er Jahren messbar erwärmt. Das stimmt mit Modellsimulationen überein, nach denen die Temperaturen unterhalb von 2.000 Meter Wassertiefe während des letzten Jahrhunderts im Schnitt um 0,1 Grad angestiegen sind. „Die atlantischen Temperaturen reflektieren damit die Klimaerwärmung der letzten Jahrhunderte“, berichten die Forscher. Denn die Verzögerung zwischen Oberfläche und Tiefsee liege im Atlantik nur bei einem bis vier Jahrhunderten.
Pazifik: Tiefsee ist abgekühlt statt erwärmt
Überraschend anders aber sieht es im Pazifik aus: Dort hat sich das Tiefenwasser seit den 1870ern sogar um 0,02 bis 0,08 Grad abgekühlt – trotz deutlicher Klimaerwärmung an der Oberfläche. Was jedoch auf den ersten Blick als Widerspruch scheint, lässt sich mit den Eigenheiten der pazifischen Tiefsee erklären: „Die pazifischen Tiefenwasser haben wegen ihrer stärkeren Isolation von der Oberfläche ein längeres Gedächtnis als der Atlantik“, so Gebbie und Huybers.
Demnach dauert es im Pazifik rund 800 bis 1.400 Jahre, bis sich Temperaturveränderungen der Oberfläche auch in Wassertiefen von mehr als 2.000 Metern niederschlagen. „Diese Tiefenwasser sind so alt und schon so lange von der Oberfläche isoliert, dass sie noch immer auf die Kleine Eiszeit reagieren“, so die Forscher. Diese im 16. Jahrhundert beginnende Kälteperiode sorgte auf der Nordhalbkugel jahrhundertelang für Missernten und Rekordwinter.
Rückschlüsse auf ozeanische Pufferwirkung
Wichtig sind diese Erkenntnisse aber nicht nur, um das scheinbare Paradox der pazifischen Tiefsee-Abkühlung zu erklären. Sie liefern auch wichtige Informationen dazu, wie stark die Pufferwirkung der Ozeane im Klimawandel tatsächlich ist. Denn den neuen Daten nach haben die oberen Wasserschichten des Pazifiks weniger Wärme aus der Atmosphäre aufgenommen als bisher angenommen. Stattdessen könnte ein Teil ihrer Wärmeenergie – möglichweise rund ein Viertel – aus der Wärme abgebenden Tiefsee stammen.
Damit ist die Pufferwirkung zumindest des Pazifiks möglicherweise weniger groß als bisher angenommen – und Klimamodelle müssten entsprechend angepasst werden. (Science, 2019; doi: 10.1126/science.aar8413)
Quelle: Woods Hole Oceanographic Institution