Verzögerter Effekt: Das schlimmste Massenaussterben der Erdgeschichte verlief an Land weit langsamer als in den Ozeanen, wie neue Fossilanalysen enthüllen. Demnach könnte sich das Artensterben, das vor 252 Millionen Jahren rund 80 Prozent aller Organismen ausrottete, an Land über mehr als eine Million Jahre hingezogen haben. Das ist mindestens zehnmal länger als der Artentod in den Meeren der damaligen Zeit dauerte.
Das Massenaussterben am Ende des Perm-Zeitalters war die schlimmste biotische Krise unseres Planeten: Drei Viertel der landlebenden Arten und 90 Prozent der Meeresbewohner starben damals aus. Auslöser der urzeitlichen Katastrophe waren die Vulkanausbrüche der sibirischen Trapps, die enorme Mengen an Klimagasen in die Atmosphäre schleuderten und die Meere versauern ließen. In den Meeren führte dies innerhalb von weniger als 30.000 Jahren zum Massenaussterben.
Fossile Zeugnisse der Katastrophe
Doch wie verlief diese erdgeschichtliche Katastrophe an Land? „Weil das marine Massenaussterben sich innerhalb so kurzer Zeit abspielte, ging man bisher davon aus, dass das Geschehen an Land dem gleichen Muster gefolgt sein muss“, erklärt Erstautorin Pia Viglietti vom Field Museum in Chicago. Ob das stimmt, haben sie und ihr Team nun mithilfe eines der reichhaltigsten fossilen Archive dieses Massenaussterbens untersucht – dem Karoo-Becken in Südafrika.
In dieser Region haben sich besonders viele Gesteinsschichten und fossile Zeugnisse vom Ende des Perm-Zeitalters erhalten. Das ermöglichte es dem Paläontologenteam, die Ereignisse vor rund 252 Millionen Jahren in zeitlich hoher Auflösung nachzuverfolgen. Basis für ihre Studie bildeten dabei die Fossilien von 588 Spezies von Landwirbeltieren, die vor, während und nach dem Massenaussterben im Karoo-Becken vorkamen.
Aussterbephase dauerte fast eine Million Jahre
Die Auswertungen ergaben: Anders als in den Ozeanen veränderte sich die Flora und Fauna an Land nicht abrupt, sondern deutlich langsamer. Zu Beginn des Massenaussterbens blieb die Aussterberate über hunderttausende von Jahren zunächst eher niedrig, bis der Artenschwund Fahrt aufnahm. „Insgesamt blieb die Aussterberate über einen Zeitraum von gut 900.000 Jahren erhöht“, berichten die Forschenden.
Der endgültige Faunenwechsel, durch den beispielsweise viele frühe Reptiliengruppen ausstarben und den Vorfahren der Dinosaurier den Weg bereiteten, fand sogar erst nach Ende dieser Phase statt. „In der unmittelbaren Folgephase des Aussterbens gab es hohe Aussterberaten und gleichzeitig eine hohe Rate der Artbildung“, so Viglietti. „Das resultierte in einer starken Diversifikation und einem starken Faunenaustausch.“
Nicht in gleichem Tempo
Insgesamt spricht dies dafür, dass das Massenaussterben an Land damals deutlich später und langsamer einsetzte als in den Meeren. „Bisher gab es immer die Frage, ob das Geschehen an Land zu dem passt, was wir in den damaligen Ozeanen beobachten“, erklärt Vigliettis Kollege Ken Angielczyk. „Die Antwort ist jetzt: Nicht wirklich. Denn damals ging etwas vor sich, das für den terrestrischen Bereich speziell war.“
Nach Ansicht des Forschungsteams demonstrieren ihre Ergebnisse, dass sich biotische Krisen keineswegs in allen Lebensräumen und in allen Organismengruppen in gleichem Tempo abspielen müssen. Während viele marinen Lebensformen am Ende des Perm innerhalb nur weniger tausend Jahre ausstarben, begann das Massenaussterben für terrestrische Organismengruppen wie die Landwirbeltiere deutlich später und zog sich länger hin
Kaskadeneffekt und später Kollaps
Warum die ökologische Katastrophe an Land deutlich langsamer verlief als in den Ozeanen, ist allerdings noch unklar. Die Forschenden vermuten jedoch, dass dies auf eine Kombination mehrere Faktoren zurückgeht. Zum einen könnte die Pufferwirkung der Meere viele anfängliche Veränderungen aufgefangen haben, bis es dann zu einem plötzlichen Umkippen kam – mit entsprechend rapiden Folgen für die Meeresumwelt.
Zum anderen könnte eine Art Kaskadeneffekt dazu geführt haben, dass sich die Umweltbedingungen an Land erst nach und nach verschlechterten. „Die Veränderungen am Erdklima waren kumulativ und summierten sich dadurch mit der Zeit“, erklärt Viglietti. „Die Ökosysteme wurden allmählich immer gestörter, bis es dann an ein Punkt kam, an dem alles kollabierte.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2021; doi: 10.1073/pnas.2017045118)
Quelle: Field Museum