Wintersonnenwende in Petra: Die untergehende Sonne markiert Götterbilder und zeichnet heilige Tiere auf die Felsen. Dies ist keineswegs Zufall, wie spanische und italienische Wissenschaftler nun beschreiben: Ihnen zufolge ist die rund 2.000 Jahre alte Hauptstadt der Nabatäer nach astronomischen Gesichtspunkten geplant und gebaut. Bedeutende religiöse Daten bilden gewissermaßen die Eckpunkte der Architektur.
Die Stadt Petra im heutigen Jordanien war in den zwei Jahrhunderten um Christi Geburt ein großes Handelszentrum des Volkes der Nabatäer. Die beeindruckenden Grabanlagen der Stadt, die direkt in die umliegenden Felsen gegraben wurden und wie reich verzierte Häuserfassaden wirken, ziehen Archäologen und Touristen gleichermaßen an. Die Stadt ist UNESCO-Weltkulturerbe, und wurde nach einer weltweiten Umfrage im Jahr 2007 zu einem der sieben neuen Weltwunder ernannt.
„Wunderbares Versuchsgelände“
Doch die aus dem Fels geschlagenen Gebäude, Säulen und Statuen sind auch noch in anderer Hinsicht bemerkenswert: Wissenschaftler um Juan Antonio Belmonte vom Astrophysikalischen Institut der Canaren (IAC) haben herausgefunden, dass die Architektur sich auch an astronomischen Ereignissen orientiert. Im „Nexus Network Journal“ beschreiben die Wissenschaftler, wie der Stand der Sonne und religiöse Aspekte die Bauweise der Nabatäer bestimmen.
„Die Monumente der Nabatäer sind ein wunderbares Versuchsgelände, in dem Landschaftsformen mit der Sonne, dem Mond und anderen Himmelskörpern interagieren“, erklärt Belmonte, und beschreibt als Beispiel das „Ad Deir“-Gebäude. Während der Wintersonnenwende fällt das Sonnenlicht hier genau durch ein Portal in der Fassade auf ein Statuenpodest. Dieses sogenannte Motab diente wahrscheinlich als symbolischer Standort für eine Gottheit.
Ein Beobachter, der zu dieser Zeit auf dem Motab steht, kann in den Schatten der gegenüberliegenden Felsen die Umrisse eines Löwen erkennen – des heiligen Tieres der nabatäischen Göttin Al Uzza. „Die astronomische Ausrichtung war oft Teil eines ausgeklügelten Plans, und möglicherweise ein Zeichen für die astrale Natur der Religion“, so Belmonte.
„Übereinstimmung kann kein Zufall sein“
Eine Analyse der Positionen der einzelnen Gebäude und mathematische Berechnungen bestätigen die Funde der Astrophysiker. Das sogenannte Urnengrab ist ein weiteres Beispiel. In diesem Grabmal lag vermutlich der König Malichus II bestattet. Das Hauptportal ist genau auf den Sonnenuntergang zum Zeitpunkt der Tagundnachtgleiche ausgerichtet. Der Sonnenstand zur Sommer- und Wintersonnenwende definiert die inneren Ecken des Gebäudes. „Diese außergewöhnliche Übereinstimmung im Grundriss des Grabmals mit wichtigen Punkten am fernen Horizont kann kaum Zufall sein“, betont Belmonte.
Die Forscher vermuten, dass das ganze Gebäude bewusst als Objekt zur Zeitmessung gebaut wurde. Spätere Nutzer des Grabmals verwendeten die astronomischen Markierungen ebenfalls: Im Jahr 446 nach Christus weihte der Bischof Jason das Urnengrab zur Kathedrale von Petra. Anhand der Sonnenwendpunkte bestimmte man damals den Zeitpunkt des Weihnachtsfests und den Tag des heiligen Johannes. Genau an letzterem Datum wurde auch die neue Kathedrale eingeweiht.
(Nexus Network Journal, 2014;doi: 10.1007/s00004-013-0164-6)
(SINC, 07.03.2014 – AKR)