Überraschender Fund: Auf der Osterinsel haben Archäologen eine „Pigment-Fabrik“ der Rapa Nui entdeckt. Sie besteht aus mehr als 350 Gruben, in denen eisenhaltiges Gestein gezielt erhitzt und so in das rote Pigment Hämatit umgewandelt wurde. Das Ausmaß dieser aufwändigen Produktion spricht für einen fast industriellen Maßstab der Pigmentherstellung – und es löst das Rätsel, woher die Rapa Nui die Farbe für ihre rituellen Bemalungen hatten.
Die Osterinsel und ihre Bewohner geben bis heute Rätsel auf. So stammen die ursprünglichen Bewohner dieser entlegenen Insel im Südpazifik zwar von Polynesiern ab, doch auch Verbindungen nach Südamerika könnte es einst gegeben haben. Ungeklärt ist bisher jedoch, wozu die Rapa Nui ihre monumentalen Steinstatuen, die Moai, errichteten und ob sie sich möglicherweise selbst ihre Lebensgrundlagen nahmen.
Grubenfeld am Fuße des Vulkans
Überraschende Funde auf der Osterinsel geben nun neue Einblicke in das Leben und Arbeiten der Osterinsel-Bewohner. Entdeckt hat sie ein Archäologenteam um Svetlana Khamnueva von der Universität Kiel bei Grabungen am Hang des Inselvulkans Maunga Terevaka. In einer Flussterasse stießen die Forscher auf mehr als 350 regelmäßig verteilte Gruben.
Jede dieser Gruben hatte ein Fassungsvermögen von im Schnitt 100 Litern und schien mit einem feinkörnigen, roten Material gefüllt. „Es besteht kein Zweifel daran, dass diese Gruben von Menschen angelegt wurden“, berichten die Forscher. Ihren Datierungen zufolge stammen diese Gruben aus zwei Zeitperioden, von 1210 bis 1390 und noch einmal von 1420 bis 1650. Sie sind damit von den Rapa Nui geschaffen worden.
„Fabrik“ für rotes Pigment
Aber wozu? „Der Inhalt dieser Gruben unterscheidet sich von allen anderen bisher auf der Osterinsel gefundenen Gruben“, so Khamnueva und ihre Kollegen. Sie ähneln weder den Pflanzgruben, noch den Vorrats- oder Feuergruben der Rapa Nui. Wozu aber dienten sie dann? Aufschluss darüber lieferten Analysen des Grubeninhalts.
Es zeigte sich: Das rötliche Pulver in den Gruben besteht größtenteils aus dem eisenhaltigen Mineral Hämatit – einem in der Frühgeschichte beliebten roten Pigment. Die Rapa Nui gewannen dieses Pigment offenbar, indem sie erst Gestein zermahlten und dieses dann in den Gruben erhitzten. Darauf deutet unter anderem verkohltes Pflanzenmaterial hin, das ebenfalls in den Gruben gefunden wurde. Das die Osterinsel-Bewohner überhaupt gezielt solches Pigment herstellten, war bisher unbekannt.
Produktion in industriellem Maßstab
Erstaunlich dabei: Die Füllung der Gruben ist überraschend fein und regelmäßig geschichtet. „Sie enthalten bis zu mehrere hundert einzelne Schichten von jeweils einem bis zehn Millimetern Dicke“, berichten die Archäologen. Das deutet auf einen komplexen und hochgradig standardisierten Prozess der Pigmentherstellung hin. Abwechselnd wurden dabei die mineralischen Rohstoffe eingefüllt, mit trockenem Gras als Brennmaterial bedeckt und dann angezündet – ein extrem aufwändiger Prozess.
Nach Ansicht der Archäologen produzierten die Rapa Nui ihr Pigment damit in einem geradezu industriellen Maßstab und Prozess. Überraschend ist dies vor allem deshalb, weil die Osterinsel-Bewohner zu dieser Zeit bereits fast alle Bäume auf der Insel abgeholzt hatten. Das wiederum führte zu verstärkter Erosion der Böden und abnehmender Fruchtbarkeit. Gängiger Theorie nach war ihre Kultur damit schon dem Untergang geweiht und kämpfte ums Überleben.
Rituelle Bemalungen
Wofür die Rapa Nui solche Unmengen von rotem Pigment herstellten und nutzten, ist noch offen. Bekannt ist aber, dass die Farbe Rot auf der Osterinsel einst heilig war. Sie stand für spirituelle Kraft, physische Stärke und Fruchtbarkeit. „Die Nutzung roter und weißer Pigmente für rituelle Bemalungen des Körpers, für Felsbilder, Textilien und die Bemalung der Steinfiguren war für die Kultur der Rapa Nui gängig“, so die Forscher.
Woher jedoch das Pigment für diese rituellen Bemalungen stammte, war bisher unbekannt. Der Fund der „Pigment-Fabrik“ am Fuß des Maunga Terevaka könnte dieses Rätsel nun gelöst haben. (Spanish Journal of Soil Science, 2018; doi: 10.3232/SJSS.2018.V8.N2.07)
(Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 30.07.2018 – NPO)