Für ihre Studie haben die Forscher die Verbreitungsgebiete von 186 Meeresvogelarten mit der Verteilung des Plastikmülls im Meer verglichen. Zudem untersuchten sie, wie häufig Exemplare dieser Arten mit Plastikpartikeln im Bauch gefunden wurden. Aus diesen Einzeldaten konstruierten sie ein Modell, aus dem die Gefährdung der verschiedenen Arten je nach Region und Zeitperiode ablesbar wird.

Skelett eines Albatross mit Plastikteilen auf Midway island im Pazifik © Britta Denise Hardesty
200 Plastikteile im Bauch
Das Ergebnis: Aus der Zeit von 1962 bis 2012 gibt es für 80 Vogelarten Berichte über verschlucktes Plastik. Im Durchschnitt hatte dabei knapp ein Drittel der jeweils untersuchten Vögel Plastik im Bauch. Bedenklich ist zudem die Steigerungsrate: 1960 fanden Forscher bei weniger als fünf Prozent aller untersuchten Seevögel Plastikteile im Bauch, 2010 waren es bereits 80 Prozent.
Im Durchschnitt stieg die Zahl der betroffenen Vögel und Vogelarten um 1,7 Prozent pro Jahr – Tendenz stark steigend. Heute könnten bereits 90 Prozent aller Seevögel mindestens einmal in ihrem Leben ein Plastikteil verschluckt haben. „Das ist eine gewaltige Menge und zeigt, wie ubiquitär die Plastikverschmutzung der Meere ist“, sagt Wilcox. Bei einigen Tests fanden er und seine Kollegen bis zu 200 Plastikpartikel im Bauch nur eines Vogels.
Südhalbkugel stärker betroffen
Dabei sind erstaunlicherweise nicht die Meeresgebiete mit den höchsten Plastikdichten wie die großen Müllstrudel im Nordpazifik oder Nordatlantik am stärksten betroffen. „Die stärksten Auswirkungen gibt es stattdessen dort, wo hohe Plastikdichte und eine große Vogelvielfalt zusammenkommen“, berichten die Forscher. „Denn in den Müllstrudeln in der Mitte der Ozeane gibt es zwar viel Plastik, hier leben aber nur sehr wenige Tiere.“

Anzahl der betroffenen Seevogel-Arten pro 1x1 Grad Fläche © Wilcox et al. / PNAS
Am meisten Plastik schlucken deshalb zurzeit Vögel im Südwest-Pazifik, an der Grenze zum Südpolarmeer und vor allem in der Tasman-See. „Wir sagen nicht, dass es nicht auch für einzelne Arten in anderen Regionen kritisch aussieht, darunter den Albatross im Nordpazifik oder den Eissturmvogel im Nordatlantik“, betonen Wilcox und seine Kollegen. Aber artenübergreifend seien die Vögel auf den Meeren der Südhalbkugel momentan anfälliger.
Bald alle Arten gefährdet
Setzt sich der gegenwärtige Trend zu immer mehr Plastikabfall fort, dann wären die Folgen erheblich: „Wir prognostizieren, dass bis 2050 Plastikteile im Verdauungstrakt von 99 Prozent aller Meeresvögel gefunden werden“, so Wilcox und seine Kollegen. „Das ist Grund zur Besorgnis.“ Denn wenn es sich um größere Kunststoffteile handelt, könne dies zum Darmverschluss und zum Tode führen. Kleinere Teile nehmen dagegen in Magen und Darm Platz weg, der dann für die Nahrung fehlt.
Einige Vogelarten können sich dabei zwar etwas besser schützen als andere, wie die Forscher erklären. So sind Albatrosse oder Raubmöwen von Natur aus dazu fähig, Teile ihrer Nahrung wieder hervorzuwürgen. Auf diese Weise werden sie manchmal auch verschlucktes Plastik wieder los. Andere Vogelarten wie Sturmvögel, Tordalke oder Lummen können dies jedoch nicht spontan. Sie sind daher noch stärker in Gefahr, zu sterben oder langsam verhungern. (Proceedings of the National Acadeym of Sciences, 2015; doi: 10.1073/pnas.1502108112)
(PNAS, 01.09.2015 – NPO)
1. September 2015