Doppelt schädlich: Der Plastikmüll in den Ozeanen schadet der Meeresumwelt nicht nur direkt – er trägt auch zur Versauerung der Ozeane bei, wie ein Experiment enthüllt. Demnach setzen die Kunststoffe bei Lichtbestrahlung organische Säuren und Kohlendioxid frei, die den pH-Wert des Meerwasser messbar senken. In stark mit Mikroplastik verschmutzen Meeresgebieten kann dies die durch den Klimawandel ohnehin zunehmende Versauerung noch zusätzlich verstärken.
Unser Plastik vermüllt die Meere: Jedes Jahr gelangen mehr als 13 Millionen Tonnen Plastik in die Ozeane, die zu Mikroplastik werden und sich mit den Meeresströmungen selbst in entlegenste Gebiete verteilen. Allein im großen Pazifischen Müllstrudel schwimmen Schätzungen zufolge mehr als 1,8 Billionen Kunststoffteile – Tendenz steigend. Die Plastikverschmutzung gefährdet Meerestiere und Vögel, setzt Chemikalien frei und produziert bei ihrer Zersetzung Treibhausgase wie Methan und Kohlendioxid.
Meeresplastik im Degradierungstest
Eine weitere Folge der Plastikvermüllung haben nun Cristina Romera-Castillo vom Meeresforschungsinstitut in Barcelona und ihre Kollegen aufgedeckt. Sie wollten wissen, welche Auswirkungen der photochemische Abbau von im Meer schwimmendem Plastik auf den Säuregrad des Wassers hat. „Man wusste schon, dass Plastik bei dieser Auslaugung gelöste organische Stoffe freisetzt, die die Biogeochemie des Ozeans verändern können“, erklärt das Team. Darunter sind auch organische Säuren und Kohlendioxid (CO2) – und damit Substanzen, die den pH-Wert ihrer Umgebung senken können.
Ob dies auch beim Abbau von Plastik im Meer passiert, untersuchten die Forschenden in Testbehältern mit gereinigtem Meerwasser, in das sie verschiedene, auf wenige Millimeter Größe zerkleinerte Kunststoffsorten gaben. Darunter waren Stückchen von Polyethylenfolien als dem häufigsten Typ von Plastikmüll, außerdem expandiertes Polystyrol, der Biokunststoff Polymilchsäure und mehrere Proben am Strand eingesammelten, bereits gealterten Plastikmülls gemischter Zusammensetzung.
Im Schnitt lag die Konzentration bei 78 Plastikteilchen pro Liter. „Das entspricht der Dichte, wie sie in stark belasteten Küstenregionen vorkommt“, erklären die Forschenden. Ale Testansätze wurden sechs Tage lang mit künstlichem Sonnenlicht bestrahlt, am Anfang und am Ende wurde der pH-Wert gemessen.
Versauerungs-Effekt stärker als der des Klimawandels
Das Ergebnis: „Die Degradierung des gealterten Plastiks und das expandierte Polystyrol verursachten eine signifikante Absenkung des pH-Werts im Meerwasser“, berichten Romera-Castillo und ihre Kollegen. „Nach sechs Tagen im Sonnenlicht war der pH-Wert des Wassers um 0,33 bis 0,54 Einheiten gesunken.“ Weniger ausgeprägt war hingegen der chemische Effekt der frischen Polyethylenfolie und des Biokunststoffs, die das Wasser innerhalb dieser sechs Tage um 0,02 bis 0,03 Einheiten saurer machten.
Zum Vergleich: Die Versauerung durch die gestiegenen CO2-KOnzentrationen von Atmosphäre und Ozeanen im Zuge des Klimawandels senkt den pH-Wert der Ozeane im Schnitt um 0,02 pH-Einheiten pro Jahrzehnt. Der Versauerungs-Effekt des Plastikmülls könnte demnach sogar stärker sein als die für einige Klimaszenarien prognostizierte Ozeanversauerung bis Ende dieses Jahrhunderts. „Die von der Degradierung dieses Kunststoffs verursachte Veränderung im pH-Wert wird die negativen Effekte der Ozeanversauerung durch das anthropogenen CO2 noch verstärken“, so die Wissenschaftler.
Nähere Analysen bestätigten, dass vor allem die UV-Strahlung des Sonnenlichts den chemischen Abbau der Kunststoffe verstärkt. Diese setzen darauf hin vermehrt organische Säuren und CO2 frei, was beides zur Versauerung des Wassers beitragen kann.
Problem vor allem für Küstenmeere
Die Tatsache, dass vor allem das bereits gealterte, länger im Meer schwimmende Plastik relativ große Mengen dieser Säuren freisetzt, ist nach Ansicht der Forschenden ziemlich bedenklich: „Der Plastikmüll in den Ozeanen ist typischerweise eine Mischung verschiedener Polymere, die schon längere Zeit der chemischen Verwitterung ausgesetzt waren und daher gealtert sind“, erklären sie. Vor allem in stark verschmutzten Küstengebieten könnte diese Plastikmüllbelastung daher die Chemie des Meerwassers erheblich beeinflussen.
„Die Daten unseres Experiments legen nahe, dass die Plastikdegradierung zu einer bedeutenden Verschiebung der pH-Werte zu niedrigeren Werten führen wird“, schreiben Romera-Castillo und ihre Kollegen. „Dies könnte die Toleranzgrenzen einiger Meeresorganismen zumindest zeitweise überschreiten.“ (Science of The Total Environment, 2022; doi: 10.1016/j.scitotenv.2022.158683)
Quelle: Institut de Ciències del Mar (ICM-CSIC)