Von schwappenden Wellen zu staubigen Dünen: Der Klimawandel von der fruchtbaren Savanne zur heutigen Sahara ließ auch den Tschadsee plötzlich schrumpfen. Britische Wissenschaftler haben den Wandel des Sees vom größten Süßwassersee zur größten Staubquelle der Erde rekonstruiert. Daraus ergeben sich neue Fragen, die bis in den südamerikanischen Regenwald reichen, schreiben die Forscher in den „Proceedings of the National Academy of Sciences“.
Die Sahara und die südlich davon gelegene Sahelzone sind berüchtigt für Hitze und Wassermangel. Doch das war nicht immer so: Noch vor rund 10.000 Jahren erstreckte sich in der heutigen Wüstenregion eine fruchtbare Savannenlandschaft, in der auch nomadische Frühmenschen lebten. Diese Idylle war jedoch nicht von Dauer: Ein plötzlicher Klima-Umschwung schuf die Wüste, die wir heute kennen.
Schrumpfende Süßwasserquelle
Betroffen davon war auch der Tschadsee südlich der Sahara, eine wichtige Wasserquelle für die angrenzenden Staaten Tschad, Niger, Nigeria und Kamerun. Heute droht der See durch die intensive Wassernutzung durch den Menschen zu schrumpfen. Vor tausenden von Jahren schwand das Wasser des Sees jedoch in noch viel größerem Ausmaß: Während der fruchtbaren Zeit der Sahara war der Paläosee „Mega-Tschad“ der größte Süßwassersee der Erde. Vor 6.000 Jahren hatte er noch eine Fläche von 360.000 Quadratkilometern – etwas größer als das heutige Kaspische Meer. Heute sind es je nach Jahreszeit etwa 1.000 bis 2.000 Quadratkilometer.
Die Geschichte dieses ehemals riesigen Sees haben Wissenschaftler um Simon Armitage von der Royal Holloway University of London nun genauer untersucht. Anhand von Satellitendaten rekonstruierten sie die ehemalige Küstenlinie des Sees. Bodenproben von Sedimenten lieferten den Forschern dann Informationen über den Wasserstand und die Ausdehnung des Sees im Verlauf der letzten 15.000 Jahre.
Ende der fruchtbaren Sahara vor 5.000 Jahren
Das Ergebnis bestätigt frühere Studienergebnisse, denen zufolge der Klimawandel die Savanne in Nordafrika relativ plötzlich traf: Vor 11.500 bis 5.000 Jahren hatte der Mega-Tschadsee seinen Höchststand. Dann schrumpfte innerhalb von nur wenigen hundert Jahren auf seine heutige Größenordnung zusammen. Sein Wasserspiegel sank um 50 Meter. Schuld daran war der schwindende Regen durch das Ausbleiben des Westafrikanischen Monsuns.
Die Rekonstruktion des Paläosees und sein dramatisches Schrumpfen werfen auch neue Fragen auf. Zum ehemaligen Bett des Sees gehört auch die Bodélé-Depression. Dieses Becken ist heute im wahrsten Sinne des Wortes staubtrocken: Es ist die größte Einzelquelle für Staub in der Atmosphäre der Erde. Doch den Daten von Armitage und Kollegen zufolge hielt sich in der Bodélé-Depression noch bis vor etwa tausend Jahren ein kleiner Rest des Sees. Damals gab es also viel weniger Staub.
Weniger Staub für den Regenwald
Dies wiederum hätte Folgen für eine ganz andere Region der Erde: Die Regenwälder in Südamerika sind auf den Saharastaub angewiesen, den ihnen der Wind anliefert. Armitage vergleicht den Regenwald mit einem hängenden Pflanzkorb, aus dem tägliches Wässern nach und nach die löslichen Mineralien auswäscht.
„Das starke Auswaschen von Nährstoffen im Amazonasbecken bedeutet, dass eine äußere Nährstoffquelle den Boden fruchtbar halten muss“, so der Forscher. „Die Bodélé-Depression wird oft als wahrscheinliche Quelle für diese Nährstoffe genannt, aber unsere Daten deuten darauf hin, dass dies erst in den letzten tausend Jahren der Fall gewesen sein kann.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2015; doi: 10.1073/pnas.1417655112)
(University of Royal Holloway London, 01.07.2015 – AKR)