Die letzen Eiszeiten ließen auch die tropischen Meere alles andere als unberührt. Entgegen bisherigen Annahmen spiegelt ihre Temperaturentwicklung genauestens das Vor- und Zurückweichen der Gletscher tausende von Kilometern weiter nördlich wieder. Wie ein internationales Forscherteam jetzt in „Science“ berichtet, bestätigen die neuen Bohrkernanalysen die primäre Rolle des Kohlendioxids für die Klimaschwankungen der letzten 2,7 Millionen Jahre.
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Das Klimasystem entpuppt sich immer mehr als noch komplexer und durch Rückkopplungen interagierender als angenommen. So entdeckten Wissenschaftler in den letzten Jahren zahlreiche Hinweise auf Abhängigkeiten vermeintlich regionaler Klimamuster wie beispielsweise dem El Nino mit Veränderungen nahezu am anderen Ende der Erde. Auf ein weiteres Beispiel ist jetzt ein internationales Forscherteam in den tropischen Ozeanen der Erde gestoßen. Denn ihre Temperaturentwicklung zeigt erstaunliche Parallelen zu den Gletscherbewegungen während der letzen Eiszeiten.
Bohrkerne aus vier tropischen Meeren
Wissenschaftler des internationalen Teams unter Leitung der Brown Universität analysierten Bohrkerne aus dem Meeresboden von vier tropischen Meeresregionen, der Arabischen See, der Südchinasee, dem östlichen Pazifik und dem äquatorialen Atlantischen Ozean. Hauptziel dabei war es, die Entwicklung der Oberflächentemperaturen dieser tropischen Meere zu ermitteln. Denn diese Wasserkörper beeinflussen über ihre Verdunstung in hohem Maße den Anteil des Wassers in Atmosphäre und damit sowohl Niederschlagsmuster weltweit als auch den Anteil von Wasserdampf, eines natürlichen Treibhausgases.
Die Forscher analysierten für ihre Studie die chemischen Relikte von Foraminiferen, winzigen marinen Organismen, die als Plankton in den Ozeanen leben und lebten und ermittelten daraus die Temperaturentwicklung über die gesamten letzten 3,5 Millionen Jahre hinweg – und damit bis weit vor dem Beginn der letzten Eiszeiten.
Temperaturkopplung seit 2,7 Millionen Jahren
Es zeigte sich, dass – beginnend mit der Zeit vor rund 2,7 Millionen Jahren – die Temperaturen in den tropische Ozeanen jedes Mal um ein bis drei Grad absanken, wenn eine Eiszeit sich anbahnte und die vorrückenden Gletscher der Nordhalbkugel die Meere der höheren nördlichen Breiten abkühlten. Diese Korrelation blieb auch erhalten, als der Rhythmus der Kalt- und Warmzeiten von 41.000-Jahres-Intervallen zu Abständen von rund 100.000 Jahren wechselte.
„Die Tropen reproduzieren dieses Muster sowohl in der Abkühlung, die die Vergletscherung der Nordhalbkugel begleitete als auch im zeitlichen Verlauf dieser Veränderungen“, erklärt Timothy Herbert, Professor für Geowissenschaften an der Brown Universität. „Die größte Überraschung für uns war, wie ähnlich diese Muster sich in allen tropischen Regionen seit rund 2,7 Millionen Jahren sahen. Eine solche Übereinstimmung hatten wir nicht erwartet.“ Aber was war die Ursache?
Immer weniger Kohlendioxid – immer kältere Eiszeiten
Aus antarktischen Bohrkerndaten wissen Klimaforscher, dass während der letzten 800.000 Jahre die Kohlendioxidkonzentrationen in der Atmosphäre während der letzen sieben Eiszeitzyklen jedes Mal um rund 30 Prozent absanken. Ein Großteil dieses Treibhausgases wurde dabei von den Meeren der höheren Breiten absorbiert – aber offenbar nicht nur. Die neuen Daten verlängern den Trend nun noch weiter in die Vergangenheit und zeigen, dass sich die Menge des absorbierten CO2 auch in den tropischen Meeren mit jeder sukzessiven Kaltzeit vergrößerte.
Das könnte erklären, warum die Eiszeiten im Laufe der Zeit immer kälter geworden sind und die Gletscher der Nordhalbkugel immer weiter nach Süden vorrückten. Bis wohin sie jeweils kamen, belegen unter anderem charakteristische Spuren am Meeresgrund, die von der Eiskante abbrechende Eisberge hinterlassen haben.
Offene Fragen bleiben
„Wir denken, dass wir die einfachste Erklärung für die Verbindung zwischen den Eiszeiten und den Tropen in dieser Zeit gefunden haben, und auch für die Rolle des Kohlendioxids für die Intensivierung der Eiszeiten und damit verbundenen Veränderungen in den Tropen“, erklärt Herbert. „Das unterstützt auf jeden Fall die Vorstellung einer globalen Sensibilität des Klimas für Kohlendioxid als primären Kontrollfaktor für globale Temperaturmuster, aber wir wissen nicht warum. Die Antwort liegt im Ozean, dessen sind wir aber ziemlich sicher.“
Herbert räumt jedoch auch ein, dass die Ergebnisse noch einige offene Fragen hinterlassen. So ist nicht klar, warum das Kohlendioxid ausgerechnet seit 2,7 Millionen Jahren eine so wichtige Rolle spielt. Ebenso unbeantwortet ist bis jetzt, warum die Intervalle der Kaltzeiten plötzlich von 41.000- zu 100.000-Jahres-Zyklen wechselten. Hier erhoffen sich die Forscher Aufschluss von weiteren Studien.
(Brown University, 21.06.2010 – NPO)