Klima

Polareis schwindet auch in der Antarktis rapide

Forscher präsentieren bisher detaillierteste Belege für Schmelze an beiden Polen

Die Mitternachtssonne legt einen goldenen Schimmer über einen Eisberg und seine Spiegelung im Wasser in der Disco Bucht, Grönland. Ein Großteil des jährlichen Eisverlustes auf Grönland geht auf das Kalben von Eisbergen wie diesem zurück. © Ian Joughin

Die Eiskappen an beiden Polen schmelzen: Nicht nur der Eisschild auf Grönland, auch der antarktische hat in den vergangenen 20 Jahren deutlich an Masse verloren. Das geht aus der umfangreichsten Auswertung von Satellitendaten hervor, die Forscher jemals durchgeführt haben. Erstmals konnten sie so auch die Größenordnung des Eisverlustes und des damit einhergehenden Meeresspiegelanstiegs genauer bestimmen: Insgesamt gehen etwa elf Millimeter der Veränderung des globalen Meeresspiegels auf das schmelzende Eis zurück, das entspricht ungefähr 20 Prozent des gesamten Anstiegs. In den letzten Jahren scheint sich zudem die Geschwindigkeit des Abtauens zu erhöhen: Aktuell verlieren die Eisschilde mehr als dreimal so viel Eis pro Jahr wie während der 1990er Jahre, berichtet das internationale Forscherteam um Andrew Shepherd von der University of Leeds im Fachmagazin „Science“.

„Seit 1989 hat es mehr als 30 einzelne, auf Satellitenbeobachtungen basierende Abschätzungen darüber gegeben, wie stark das Inlandeis auf Grönland und der Antarktis zum Meeresspiegelanstieg beiträgt“, berichtet Andrew Shepherd. Trotzdem blieb das Bild eher unscharf: Die errechnete Massenbilanz lag zwischen einem Verlust von 676 und einem Gewinn von 69 Gigatonnen Eis pro Jahr. Besonders unklar war die Lage in der Antarktis: Während einige Studien dort ebenfalls einen Verlust des Inlandeises vermerkten, kam die Mehrzahl eher zu dem Ergebnis, dass der Eisschild dort aufgrund des erhöhten Niederschlags wächst.

Eines der Hauptprobleme bei diesen früheren Messungen seien die vergleichsweise kurzen Zeiträume gewesen, die den Daten zugrunde lagen, erläutert Studienleiter Shepherd. Zudem seien nicht selten Äpfel mit Birnen verglichen worden, also unterschiedliche Regionen zu unterschiedlichen Jahreszeiten. Er und sein Team verknüpften daher in der neuen Erhebung die Daten zehn verschiedener Satellitenmissionen aus knapp 20 Jahren miteinander, bei denen drei unterschiedliche Messverfahren genutzt wurden: Höhenmessungen, Veränderungen des Schwerefelds (Gravimetrie) und Veränderungen der Eisoberfläche mittels Interferometrie. Die Forscher achteten zudem penibel darauf, „Äpfel mit Äpfeln zu vergleichen“, wie es Shepherd ausdrückt.

Zwei Drittel des gesamten Eisverlustes auf Grönland

Seit mehreren Sommern transportiert dieser, tief in das Eis gegrabene Kanal das überschüssige Wasser aus einem Schmelzwassersee zu einer Gletschermühle - ein Kanalsystem das Schmelzwasser fast tausend Meter tief durch die Eisschichten ablaufen lässst. © Ian Joughin

Das Ergebnis: Insgesamt ist eindeutig ein Verlust an Eis zu verzeichnen. In der Antarktis liegt er zwischen 340 und 2.300 Gigatonnen, in Grönland sogar zwischen 2.000 und 3880 Gigatonnen. In der Antarktis sind allerdings die regionalen und auch zeitlichen Schwankungen der Eismenge sehr ausgeprägt. So nimmt die Eismasse im Schnitt in der West-Antarktis und auf der Antarktischen Halbinsel ab, während sie in der Ost-Antarktis leicht zunimmt. Diese können den Verlust in den anderen Gebieten jedoch nicht ausgleichen, betonen die Forscher.

Auch die zeitliche Entwicklung verläuft im Norden und im Süden offenbar sehr unterschiedlich, zeigen die Daten: Während die Schmelzrate in der Antarktis etwa gleich geblieben ist, stieg sie auf Grönland seit den 1990er Jahren auf nahezu das Fünffache an. Rechnet man beides zusammen, hat der Beitrag des schmelzenden Eises zum Meeresspiegelanstieg damit von 0,27 Millimeter pro Jahr auf 0,95 Millimeter pro Jahr zugenommen.

Prognosen für die Zukunft wollen die Wissenschaftler allerdings aktuell nicht stellen. Ziel der Studie sei ausschließlich eine retrospektive Bewertung der Entwicklung gewesen, betonen sie. Diese sei wichtig, um bestehende Klimamodelle testen und möglicherweise verbessern zu können. Zudem sei es essenziell, die Entwicklung weiter intensiv zu verfolgen. Nur dann könne ausgeschlossen werden, dass es sich bei den beobachteten Effekten um natürliche, zyklische Schwankungen der Eismasse handelt, wie sie beispielsweise in der Antarktis häufig vorkommen (doi: 10.1126/science.1228102).

(Science, 30.11.2012 – ILB)

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