Einzigartige Chance: Das deutsche Forschungsschiff Polarstern ist dahin vorgedrungen, wo vor gut zwei Wochen ein gewaltiger Eisberg vom Brunt-Schelfeis abgebrochen ist – mitten in den sich weitenden Spalt im Eis. Dadurch können die Wissenschaftler an Bord nun einzigartige Einblicke in eine Lebenswelt bekommen, die bisher von hunderte Meter dickem Eis bedeckt war. Schon die ersten Aufnahmen und Daten vom Meeresgrund sorgten für Begeisterung.
Es war ein spektakuläres Ereignis: Nachdem sich ein Riss immer weiter durch das antarktische Brunt-Schelfeis gefressen hatte, brach am 26. Februar 2021 ein riesiger Eisberg ab. Das tafelförmige Stück von der halben Größe des Saarlandes erstreckt sich über 1.270 Quadratkilometer und driftet nun langsam vom Rest des Schelfeises weg. Ein Abbruch so großer Eisberge findet in der Antarktis nur etwa alle zehn Jahre statt – auch wenn dies mit dem Klimawandel zukünftig häufiger geschehen könnte.

Wie reagiert die Meereswelt auf den abrupten Wandel?
Das Spannende daran: Durch solche Abbrüche werden plötzlich Meeresgebiete frei, die zuvor Jahrtausende lang vom hunderte Meter dicken Schelfeis bedeckt waren. Für die Organismen am Meeresgrund und im Wasser bedeutet dies, dass Dunkelheit und Isolation abrupt enden und erstmals wieder Sonnenlicht in ihren Lebensraum eindringt. Was diese Veränderungen in den marinen Ökosystemen auslösen und wie sich deren Bewohner anpassen, ist bisher kaum bekannt.
Doch jetzt ist die Chance dafür gekommen: Der deutsche Forschungseisbrecher Polarstern war zur Zeit des Eisabbruchs ohnehin im nahen Wedellmeer unterwegs. Damit konnte diese Expedition als einziges Team das Brunt-Schelfeis schon kurz nach dem Abbruch erreichen. „Es ist ein Glücksfall, dass wir flexibel reagieren und das Abbruchgeschehen am Brunt-Schelfeis aktuell so detailliert erforschen konnten“, sagt Expeditionsleiter Hartmut Hellmer vom Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI).