Mysteriöse UV-Lichtschleier: Forscher haben erstmals eine ungewöhnliche Polarlicht-Form auf dem Mars entdeckt. Denn diese Auroren entstehen nicht durch die Wechselwirkung von Sonnenwind-Elektronen mit einem Magnetfeld, sondern durch Protonen, die in die Marsatmosphäre eindringen. Solche Protonen-Auroren waren bisher nur von der Erde bekannt, ihre Entdeckung auf dem Mars belegt nun, dass sie auch anderswo existieren, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Astronomy“ berichten.
Polarlichter sind in den hohen Breiten der Erde nichts Ungewöhnliches. Die grünlich oder rötlich leuchtenden Himmelsschlieren entstehen, wenn energiereiche Teilchen des Sonnenwinds – meist Elektronen – mit Gasteilchen der Ionosphäre kollidieren. Auch auf anderen Planeten wie dem Jupiter, Saturn oder Mars und sogar auf dem Jupitermond Ganymed haben Astronomen bereits Polarlichter nachgewiesen.
Protonen statt Elektronen
Doch es gibt Polarlichter, die vom üblichen Entstehungsschema abweichen. Bei diesen Auroren sind Protonen statt Elektronen die auslösenden Teilchen. „Sie unterscheiden sich von den typischen Aurora-Emissionen, weil sie von den energiereichen Partikeln selbst erzeugt werden und nicht durch angeregte Atome und Moleküle der Atmosphäre“, erklärt Justin Deighan von der University of Colorado in Boulder. Meist sind Wasserstoffatome die Strahlenquelle, die durch Verlust eines Elektrons vorübergehend zu Protonen werden.
Bisher jedoch kannte man solche Protonen-Auroren nur von der Erde – und selbst hier sind sie selten. Doch nun haben Deighan und seine Kollegen erstmals Protonen-Polarlichter auch auf unserem Nachbarplaneten Mars nachgewiesen. Auf die Spur brachten sie Messdaten der NASA-Raumsonde MAVEN, die unter anderem die UV-Strahlung der oberen Atmosphäre des Mars überwacht.
Rätselhaftes UV-Leuchten
In den UV-Messdaten bemerkten die Forscher Seltsames: Ab und zu verstärkte sich die UV-Strahlung der Marsatmophäre mehrere Stunden lang. „Das IUVS-Instrument maß mehrere Airglow-Emissionen sowohl im Fern-UV als auch im mittleren UV-Bereich“, berichten die Wissenschaftler. Dieses nur im ultravioletten Licht sichtbare Aufglühen ereignete sich immer nur auf der Tagseite des Planeten und in rund 150 Kilometern Höhe.
Doch was war der Grund? Eine Antwort lieferten Messdaten eines weiteren Instruments der MAVEN-Sonde: Dieses registrierte einen vermehrten Einstrom von energiereichen Protonen aus dem Sonnenwind immer dann, wenn auch ein marsianischer „Airglow“ stattfand. Die Zahl der Protonen in der Thermosphäre des Mars stieg während dieser Ereignisse um das Dreifache an, wie die Forscher berichten.
„Diebstahl“ an der Bugwelle
Könnte es sich um eine Protonen-Aurora im UV-Bereich handeln? Dafür aber müssten die Sonnenwind-Protonen in die Atmosphäre des Mars eindringen können. Normalerweise jedoch werden alle geladenen Teilchen von der Bugwelle des Planeten abgelenkt und abgefangen, wie Deighan und seine Kollegen erklären. Zwar besitzt der Mars kein starkes globales Magnetfeld wie die Erde, aber seine mit geladenen Teilchen gefüllte Ionosphäre lenkt den Sonnenwind ebenfalls ab – wie ein Schutzschild.
„Die Antwort war Diebstahl“, erklärt Deighan. „Wenn die Protonen sich dem Mars nähern, wandeln sich die Protonen des Sonnenwinds in neutralen Wasserstoff um, indem sie Elektronen vom äußeren Rand der Wasserstoffwolke stehlen, die den Planeten umgibt.“ Weil die „Bugwelle“ nur geladenen Teilchen abhält, können diese energiereichen neutralen Partikel sie nun ungehindert passieren und bis in die Marsatmophäre vordringen. Dort geben sie einen Teil ihrer Energie als Photonen ab – die ultraviolette Protonen-Aurora entsteht.
Auch auf weiteren Himmelskörpern?
Damit ist klar: Protonen-Polarlichter sind keine Eigenheit der Erde – und sie können durch verschiedene Mechanismen entstehen. „Der Antriebsmechanismus der Mars-Protonen-Auroren ist einer, den es so auf der Erde nicht gibt“, erklären die Forscher. Als Folge können diese UV-Leuchtereignisse auf dem Mars überall auftreten, während sie auf der Erde nur in einem kleinen Gebiet nahe der Pole vorkommen.
„Die marsianischen Protonen-Auroren sind mehr als nur eine Light-Show“, sagt Koautor Jasper Halekas von der University of Iowa. „Sie enthüllen, dass der Sonnenwind am Mars nicht komplett abgelenkt wird: Einige Sonnenwind-Protonen können sich an der Bugwelle vorbeimogeln und in die Atmosphäre eintreten.“
Das lnteressante daran: Auch andere Himmelskörper wie die Venus oder der Saturnmond Titan besitzen kein globales Magnetfeld, dafür aber wie der Mars eine Bugwelle und Wasserstoff in ihren äußeren Atmosphärenschichten. Entgegen bisherigen Annahmen könnte es daher auf ihnen und auch auf Exoplaneten Proton-Auroren geben. (Nature Astronomy, 2018; doi: 10.1038/s41550-018-0538-5)
(NASA/ Goddard Space Flight Center, 25.07.2018 – NPO)