Wie lebten die ersten Bauern vor mehr als 7.000 Jahren während der Jungsteinzeit? Dies wird jetzt in einem neuen Projekt rekonstruiert. Neben Archäologen sind Botaniker und Zoologen im Einsatz, um die Spuren der Vergangenheit aufzunehmen und mit aufwändigen Methoden zwei frühere Siedlungen in Österreich zu untersuchen. Das Projekt könnte nach Ansicht der beteiligten Wissenschaftler Ergebnisse von europaweiter Bedeutung liefern.
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Von gestern waren die Bauern nicht, die im späten 6. Jahrtausend v. Chr. die ersten Landwirtschaften in Mitteleuropa gründeten – schon damals wurde eine Kombination aus Ackerbau und Viehzucht betrieben. Weitere Aspekte des bäuerlichen Alltags wurden in Österreich im Gegensatz zu anderen Ländern Europas bisher jedoch nur bruchstückhaft erforscht.
Dies ändert nun das neue Projekt: Sämtliche Lebensbereiche der "Jungbauern" werden anhand der Analyse zweier bäuerlicher Siedlungen detailliert erfasst. Zu diesem Zweck wird das Team rund um Projektleiterin Eva Lenneis vom Institut für Ur- und Frühgeschichte an der Universität Wien, innerhalb der nächsten zwei Jahre Untersuchungen an Tierknochen, Pflanzenresten sowie Keramik- und Steingerätfunden durchführen.
Puzzle-Spiele
Die Auswertung dieser Fundobjekte soll zur Klärung vieler bisher offener Fragen beitragen, wie Lenneis ausführt: "Unser Ziel ist es nicht nur herauszufinden welchen Stellenwert der Anbau von Getreide gegenüber dem Sammeln von Wildpflanzen eingenommen hat oder welche Haustiere gehalten wurden. Uns interessieren darüber hinaus die übergeordneten Wirtschaftsstrukturen sowie die Relationen und Hierarchien zwischen den einzelnen Siedlungen und innerhalb derselben." Die Einzelresultate die sich dabei ergeben werden zusammengetragen um das gesamte frühbäuerliche Leben puzzleartig zu rekonstruieren.
Ausgangspunkt der Untersuchungen sind zwei Fundstätten in Niederösterreich, die nur wenige Kilometer voneinander entfernt sind: Mold und Rosenburg. Insbesondere die vier Hektar große Siedlung Mold zeichnet sich durch die außergewöhnliche Qualität der Funde aus. Auf die Begutachtung warten nicht nur rund 60 Kilogramm gut erhaltene Tierknochen sondern auch ein Haus von seltener Größe, das in Österreich einzigartig ist und zu dem es in Europa nur wenige Vergleiche gibt.
Mysteriös geht es in Rosenburg zu. Bei der viel kleineren Siedlung handelt es sich um einen "Sonderplatz" wie Voruntersuchungen ergeben haben. Die Rolle der unüblichen Lage mitten im Wald und einer Reihe außergewöhnlicher Schlitzgruben werden im Rahmen des Projekts jetzt geklärt.
Moderne Vielfalt
Raum für spannende Neuerkenntnisse bietet nicht zuletzt der Vergleich der Siedlung Mold mit dem "Sonderplatz" Rosenburg. An eine Verwendung rein archäologisch-historischer Methoden ist dabei jedoch nicht zu denken. Allein die genaue Zeiteinordnung der beiden Plätze ist nur durch C-14 Untersuchungen größerer Probenserien am Wiener VERA-Labor möglich.
"Momentan sind wir gerade damit beschäftigt Tierknochen und Pflanzenreste zu erfassen und zu bestimmen. Keramikfunde werden sogar in einer Bilddatenbank erfasst und die Baupläne der Häuser digitalisiert um im nächsten Schritt EDV-gestützte Analysen zu ermöglichen", so Lenneis.
Bereits der Abschluss einzelner Teiluntersuchungen könnte bald erste Ergebnisse bringen. Die gesamten Untersuchungen, mit denen erstmals in Österreich das gesamte Lebensbild der steinzeitlichen Bauern rekonstruiert wird und die durch ihre vergleichende Perspektive auch im europäischen Raum selten sind, werden im Sommer 2008 abgeschlossen sein. Dann wird das FWF-Projekt nicht nur dazu beigetragen haben wichtige Forschungslücken zu schließen sondern wird auch dem modernen Agrarwirt tiefe Einblicke in das Leben seiner Vorfahren ermöglichen.
(Universität Wien/PR&D – Public Relations for Research & Development, 17.10.2006 – DLO)