Verborgener Ursprung: Forscher könnten die Wiege der irdischen Kontinent-Krusten identifiziert haben. Demnach entstand das Krustengestein der Landmassen einst dort, wo Plattenkollisionen erste Gebirge auftürmten. Das entscheidende Indiz dafür liefert nun ein Mineral, das im Gesteinsschutt dieser Plattengrenzen übrigblieb. Denn es enthält genau das Niob, das der kontinentalen Kruste heute fehlt, wie die Wissenschaftler berichten.
Unser Planet ist geologisch einzigartig im Sonnensystem, denn er besitzt Kontinente – Krustenteile, die nicht aus Basalt, sondern aus leichterem Silikatgestein bestehen. Doch wann und wie die irdischen Kontinente entstanden, ist bisher unklar. Forscher vermuten, dass sich die Kontinentkruste erst mit Beginn der Plattentektonik durch Aufschmelzen von Ozeankruste in der Tiefe bildete. Darauf deutet eine Übergangsform zwischen beiden Krustentypen hin, die Geologen in besonders alten Gesteinen entdeckt haben.
Rätsel um das verschwundene Niob
Doch wo lagen die urzeitlichen Fabriken dieser ersten Kontinentkruste? Einen Hinweis darauf könnten nun Forscher um Ming Tang von der Rice University in Houston gefunden haben. Ansatzpunkt ihrer Studie war ein entscheidender Unterschied zwischen kontinentaler und ozeanischer Kruste. Während letztere wie der Erdmantel etwa gleich viel Niob und Tantal enthält, ist dies bei der Kontinentkruste anders.
„Die Gesteine der Kontinente enthalten rund 20 Prozent weniger Niob als sie sollten“, erklärt Tang. „Wir glauben, dass dieses fehlende Niob eng mit dem Rätsel der Kontinente verknüpft ist. Wenn wir den fehlenden Anteil finden, liefert uns das wertvolle Informationen darüber, wie sich die Kontinente gebildet haben.“ Die Wissenschaftler durchforsteten Datenbanken mit Gesteinsanalysen und suchten dabei nach Gesteinen, die auffällig viel Niob enthalten.
Fund am urzeitlichen Kontinentrand
Und sie wurden fündig: in sogenannten Arclogiten aus Arizona. Dieses Gestein entsteht dort, wo Erdplatten übereinander gleiten und dabei Material zusammengeschoben wird – ein unter Druck und Hitze produzierter Gesteinsschutt. Heute werden Arclogite vor allem an aktiven Kontinenträndern wie der Westküste Südamerikas gefunden. Dort taucht die ozeanische Platte unter die kontinentale Platte ab und es entstehen Gebirge und Vulkane.
Die Arclogite aus Arizona stammen dagegen aus einem Gebiet, in dem in der Frühzeit der Erde ein aktiver Kontinentrand lag. Und in ihnen ist ein besonders niobhaltiges Rutil-Mineral enthalten, wie die Gesteinsanalysen enthüllten. Das Interessante daran: „Diese rutilhaltigen Akkumulate besitzen ein Niob-zu-Tantal-Verhältnis, das komplementär zu dem der kontinentalen Kruste ist“, so die Forscher. Mit anderen Worten: Das Arclogit enthält genau das Niob, das den Kontinenten heute fehlt.
Nach Ansicht der Forscher könnte der urzeitliche Gesteinsschutt damit ein Überrest der Kontinent-Bildung sein. Die Arclogite blieben übrig, als der Rest der Kruste tief in den Mantel gedrückt und in kontinentales Gestein umgewandelt wurde.
Gebirge als Wiegen der Kontinentkruste?
Das Entscheidende jedoch: Das Mineral Rutil lagert nur dann vermehrt Niob ein, wenn es bei Temperaturen unter 1.000 Grad gebildet wird. Und so niedrige Temperaturen herrschten in der Erdgeschichte nur an den Stellen, an denen die Tektonik Gebirgszüge auftürmte. Der Ursprung der kontinentalen Kruste liegt demnach überall dort, wo einst Gebirge aufragten.
„Wenn unsere Schlussfolgerungen richtig sind, dann hat jedes heutige Stück Landmasse einst an Orten wie den Anden oder Tibet begonnen – unter gebirgigen Gegenden“, sagt Tang. Viele dieser uralten Gebirge sind allerdings heute längst abgetragen und eingeebnet: „Heute sind weite Teile der Kontinente flach, weil dies das stabile Stadium der Kontinentalkruste ist“, erklärt der Forscher. „Aber als sich diese Kruste formte, geschah dies im Zuge einer Gebirgsbildung.“
Zu diesen Schlussfolgerungen passt die vor einigen Jahren gemachte Entdeckung, dass noch heute neue Kontinentkruste an Plattengrenzen entstehen kann – wenn die Bedingungen stimmen. (Nature Communications, 2019; doi: 10.1038/s41467-018-08198-3)
Quelle: Rice University