Mysteriöse Schlieren: Was ist die Ursache der hellen, wirbelförmigen Verfärbungen an einigen Stellen der Mondoberfläche? Das Geheimnis dieser lunaren „Swirls“ könnten Forscher nun gelüftet haben. Ihrer Theorie nach werden die Verfärbungen von magnetisierter Mondlava erzeugt, die in Lavagängen unter den Mondwirbeln liegt. Hinweise darauf, wie diese Lava magnetisch werden konnte, lieferten geochemische Experimente mit Mondgestein.
Es ist ein bisher unerklärtes Phänomen: An einigen Stelle trägt die dunkle Mondoberfläche helle, schlieren- bis wirbelförmige Muster. Diese lunaren „Swirls“ sind mehrere Kilometer lang und scheinen keiner geologischen Formation zu folgen. Der berühmteste Mondwirbel, Reiner Gamma im Oceanus Procellarum, erstreckt sich sogar über rund 70 Kilometer und ist von der Erde aus schon mit kleineren Teleskopen zu erkennen.
Rätselhafte Magnet-Inseln
Was diese seltsamen Wirbel verursacht, darüber gibt es bisher nur Spekulationen. Weil einige von ihnen genau gegenüber von größeren Einschlagsbecken liegen, vermuten einige Planetenforscher einen Zusammenhang mit den Einschlägen und den dabei freigesetzten Energien. Seltsamerweise aber hat ausgerechnet der größte Mondwirbel, Reiner Gamma, keine gegenüberliegende Impaktsenke.
Merkwürdig auch: Reiner Gamma und andere Mondwirbel besitzen ein starkes lokales Magnetfeld, während der Rest des Mondes sein Magnetfeld schon in seiner Frühzeit er verloren hat. Diese lokalen Felder könnten deshalb gängiger Theorie nach erklären, warum der Regolith der Mondwirbel hell geblieben ist: Die Magnetfelder haben sie vor der Verwitterung durch den Sonnenwind geschützt.
Lavagänge als Magnet-„Motor“?
Doch es bleibt die Frage, woher diese Magnetfelder kommen: „Die Ursache der magnetischen Felder und damit der Mondwirbel ist noch immer ein Rätsel“, sagt Sonia Tikoo von der Rutgers University. „Wir wollten daher herausfinden, welche Art von geologische Formationen sie erzeugen kann und warum diese Magnetfelder so erstaunlich stark sind.“ Das haben sie und ihr Kollege Douglas Hemingway von der University of California in Berkeley nun mithilfe geophysikalischer Modelle untersucht.
Das Ergebnis: Angesichts der Form der Mondwirbel und ihrer Felder muss der „Motor“ für den Magnetismus lang und schmal sein und sich relativ nahe unter der Mondoberfläche befinden, wie die Forscher berichten. Das spricht gegen bisherige Hypothesen, nach denen Reste abgestürzter Kometenkerne die verborgenen Magnete der Swirls bilden. Stattdessen passe diese Beschreibung eher zu Lavatunneln und Lavagängen, wie es sie an vielen Stellen des Mondes gibt, so Tikoo und Hemingway.
Eisen im Lavagestein
Um aber die Mondwirbel zu erzeugen, müssten diese Lavagänge stark magnetisiert sein: Die Forscher errechneten für das Gestein eine Feldstärke zwischen 0,5 und zwei Ampere pro Meter. Wie sie erklären, könnten solche Werte während der vulkanisch aktiven Mondvergangenheit jedoch durchaus erreicht worden sein – dank der sauerstofffreien Bedingungen auf dem Erdtrabanten.
Denn Laborexperimente zeigen, dass Mondgestein magnetisch wird, wenn es in sauerstofffreier Umgebung auf mehr als 600 Grad Celsius erhitzt wird. Unter diesen Bedingungen zerfallen eisenhaltige Minerale im Gestein und setzen metallisches Eisen frei, wie die Forscher berichten. Wenn diese Reaktion in einem Magnetfeld stattfindet, wird das neugebildete Eisen in dessen Ausrichtung magnetisiert. Es behält diese Magnetisierung auch dann bei, wenn das äußere Magnetfeld sich auflöst – wie beim Mond der Fall.
Aufgabe für künftige Astronauten
„Niemand hat bisher an diese Reaktion gedacht, wenn es um eine Erklärung für die stark magnetisierten Areale auf dem Mond geht“, sagt Tikoo. „Dies könnte das finale Puzzleteil sein.“ Ihrem Szenario nach strömte Lava in der Frühzeit des Mondes in die Lavagänge unter der Oberfläche und setzte beim Erstarren Eisen frei. Das bis vor rund einer Milliarde Jahren noch vorhandene Mondmagnetfeld magnetisierte dieses Lavagestein und schuf damit die Basis für die lokalen Magnetfelder der Mondwirbel.
Ob dieses Szenario stimmt, wird sich allerdings wohl nur durch Messungen und Gesteinsproben vor Ort prüfen lassen. Das wäre eine Aufgabe für die Astronauten einer zukünftigen Mondmission. (Journal of Geophysical Research: Planets, 2018; doi: 10.1029/2018JE005604)
(Rutgers University, 10.09.2018 – NPO)