Archäologie

Rätsel der Mumien-Brüder gelöst

Knapp 4.000 Jahre alte Tote hatten verschiedene Väter

Die Sarkophage der beiden Mumien-Brüder: Beide waren zusammen in einer Grabkammer bestattet - für das alte Ägypten ist dies eher ungewöhnlich. © Manchester University

Überraschende Familienbande: Fast 100 Jahre lang galten zwei in Ägypten entdeckte Mumien als Brüder. Jetzt enthüllen DNA-Analysen: Die beiden rund 3.800 Jahre alten Toten hatten zwar dieselbe Mutter, aber verschiedene Väter. Damit handelt es sich um Halbbrüder. Das Spannende daran: Die gemeinsame Bestattung beider im selben Grab spricht dafür, dass damals die mütterliche Linie über Familienzugehörigkeit und Status entschied – es sei denn, einer der beiden war ein Kuckuckskind.

Im Jahr 1907 machten Arbeiter bei Ausgrabungen im ägyptischen Ort Deir Rifeh, rund 400 Kilometer südlich von Kairo, einen besonderen Fund: Sie stießen auf ein noch unberührtes Grab, in dem gleich zwei Sarkophage mit intakten Mumien standen. Reiche Grabbeigaben und die bemalten Sarkophage sprachen dafür, dass es sich hier um Angehörige der altägyptischen Elite handeln musste. Den Datierungen nach stammte das Grab aus der Zeit um 1800 vor Christus – es handelt sich um eines der besterhaltenen Gräber des Mittleren Reichs.

Brüder – oder doch nicht?

Wer waren die beiden Toten? Hieroglyphen-Inschriften auf den Sarkophagen besagten, dass es sich um Khnum-Nakht und Nakht-Ankh handelte – die Söhne eines nicht näher genannten Regierungsbeamten. Ihre Mutter wurde als „Khnum-Aa“ angegeben. Wegen dieser Beschreibung und der gemeinsamen Bestattung beider Toten gingen Archäologen zunächst davon aus, dass die beiden Brüder gewesen sein müssen.

Doch als Forscher wenig später die Mumien genauer untersuchten, bekamen sie Zweifel daran. Sowohl in ihrer Gesichtsform als auch in der allgemeinen Statur waren die beiden Männer sehr unterschiedlich. Die Analyse von Hautresten deutete zudem darauf hin, dass einer der beiden Toten eine deutlich hellere Haut besaß als der andere. Waren die als „die zwei Brüder“ bekannten Ägypter demnach doch nicht miteinander verwandt?

Familien-Rekonstruktion mittels DNA

Diese Frage haben nun Konstantina Drosou von der University of Manchester und ihr Team geklärt. Ihnen ist es gelungen, aus den Zähnen der beiden Mumien Proben ihres Erbguts zu gewinnen und die DNA zu analysieren. „Das war eine lange und mühevolle Arbeit, aber jetzt haben wir es endlich geschafft“, sagt Drosou. „Ich bin sehr dankbar, dass wir hiermit ein kleines, aber wichtiges Puzzlestück zum historischen Rätsel beitragen können.“

Um die Verwandtschaft der beiden Toten zu ergründen, verglichen die Forscher zunächst die mitochondriale DNA – sie wird nur über die mütterliche Linie vererbt und kann so verraten, ob beide Toten die gleiche Mutter hatten. Der Vergleich des Y-Chromosoms dagegen gibt Auskunft darüber, ob die beiden Toten in väterlicher Linie miteinander verwandt sind.

„Dies ist der erste erfolgreiche Versuch, sowohl die Mitochondrien-DNBA als auch die Y-Chromosomen-DNA bei einer ägyptischen Mumie zu sequenzieren“, sagen die Forscher.

Gleiche Mutter, verschiedene Väter

Das Ergebnis: Über die mütterliche Linie sind beide Toten tatsächlich eng miteinander verwandt – beide haben entweder die gleiche Mutter oder sind die Söhne zweier Schwestern. „Da auf beiden Sarkophagen der gleiche Muttername stand, können wir wohl davon ausgesehen, dass beide Söhne der gleichen Frau waren – von Khnum-Aa.“, so die Wissenschaftler.

Doch wie sah es mit dem Vater aus? Hier zeigten die DNA-Analysen Überraschendes. Denn ihren Y-Chromosomen nach waren Khnum-Nakht und Nakht-Ankh über die männliche Linie nicht miteinander verwandt. Sie hatten verschiedene Väter. „Demnach waren die beiden nicht Brüder, sondern nur Halbbrüder“, erklären Drosou und ihre Kollegen.

War die mütterliche Linie wichtiger?

Damit jedoch sind nicht nur die Familienbande der beiden Mumien geklärt. Die Tatsache, dass die beiden Halbbrüder gemeinsam im gleichen Grab bestattet wurden, liefert auch spannende Einblicke in die Rolle der Verwandtschaften im alten Ägypten. Denn offenbar war für Khnum-Nakht und Nakht-Ankh ihre mütterliche Herkunft entscheidender als die väterliche – falls einer der beiden nicht ein heimliches Kuckuckskind war.

„Das Doppelgrab der Halbbrüder könnte darauf hindeuten, dass damals die mütterliche Linie für die soziale Stellung in den Eliten wichtiger war“, mutmaßen die Forscher. „Tatsächlich wird in Aufzeichnungen aus dieser Zeit häufig die mütterliche Abstammung stärker gewichtet als die väterliche.“ Die reichen Grabbeigaben könnten dann in Hinweis darauf sein, dass die Mutter der beiden, Khnum-Aa, einen hohen Status in der altägyptischen Gesellschaft besaß. (Journal of Archaeological Science: Reports, 2018; doi: 10.1016/j.jasrep.2017.12.025)

(Manchester University, 17.01.2018 – NPO)

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