Forscher haben geklärt, warum sich die Bewohner Polynesiens und Melanesiens trotz der geografischen Nachbarschaft beider Inselgruppen kaum ähneln. Wie der Vergleich von Schädelfunden nahelegt, besiedelten Vertreter des auf Vanuatu lebenden Lapita-Volks zwar sehr früh die umliegende Inselwelt Polynesiens. Danach jedoch veränderten weitere Einwanderungswellen ihre Gene. Die Polynesier blieben hingegen lange isoliert.
Schon vor tausenden von Jahren besiedelten Menschen die Inselwelt Polynesiens. Woher die frühen Siedler jedoch genau kamen und von wem sie abstammten, war lange strittig. Schon seit den ersten Entdeckerreisen im 16. Jahrhundert stellten Forscher sich diese Frage – und sahen sich mit einem scheinbaren Widerspruch konfrontiert. Denn die Polynesier sahen zwar Südostasiaten ähnlich, glichen den benachbarten Melanesiern hingegen überhaupt nicht. Das schien rätselhaft, weil die Inselgruppe Melanesiens genau auf dem Weg von Asien nach Polynesien liegt.
Schädelformen liefern Hinweise
Die Entdeckung eines alten Friedhofs auf Efate, der drittgrößten Insel in Vanuatu, könnte nun helfen, das Rätsel zu lösen. Ein Wissenschaftlerteam um Frédérique Valentin vom Maison de l‘Archéologie et de l‘Ethnologie im französischen Nanterre hat fünf Schädel von der etwa 3.000 Jahre alten Grabstätte untersucht. Die körperlichen Überreste stammen von frühen Vertretern der Lapita-Kultur, die den melanesischen Inselstaat vor über 3.000 Jahren besiedelte. Heute lebende Polynesier weisen deutliche sprachliche und kulturelle Gemeinsamkeiten mit diesem frühen Volk auf.
Die ausgegrabenen Schädel haben die Forscher mit prähistorischen sowie mit modernen Schädeln von Menschen aus der Asia-Pazifik-Region verglichen – darunter Australien, Melanesien, Polynesien, Mikronesien und China. Die Schädelformen zeigen: Tatsächlich weisen die frühen Lapitafunde aus Efate viele Ähnlichkeiten mit der heutigen polynesischen und australischen Bevölkerung auf. Spätere Generationen zeigen hingegen deutliche Einflüsse eines für Melanesien typischen Phänotyps.
Isolation erklärt anderes Aussehen
Valentin und seine Kollegen schließen daraus, dass Vertreter der Lapita-Kultur Polynesien bereits sehr früh besiedelt haben müssen. Dadurch haben sie die Bevölkerung Polynesiens genetisch wesentlich beeinflusst.
Doch während Polynesien nach der Besiedelung durch die frühen Lapita zunächst weitestgehend isoliert blieb, fanden in Melanesien später weitere Migrationsströme statt. Dabei vermischten sich die Lapita mit anderen melanesischen Populationen, die sich bereits auf Inseln in der Nähe von Neu Guinea etabliert hatten. Dadurch veränderte sich das Aussehen der Melanesier – in Polynesien blieb jedoch der ursprüngliche Phänotyp des Lapita-Volks erhalten. (PNAS, 2015, doi: 10.1073/pnas.1516186113)
(PNAS, 06.01.2016 – DAL)