Chinesischer Babydrache: Dinosaurier-Embryo „Baby Louie“ wurde schon in den 1990er Jahren dank eines Presseberichts weltbekannt. Erst jetzt haben Wissenschaftler jedoch entschlüsselt, um welche Art es sich bei dem Fossil aus China genau handelt. Demnach gehört der Dino zu einer bisher unbekannten Art vogelähnlicher Saurier – und wäre als erwachsenes Tier zu einem wahren Koloss herangewachsen.
Dank zahlreicher Fossilienfunde haben wir heute von vielen Dinosauriern eine recht gute Vorstellung: Wir wissen, wie sie aussahen, wo sie lebten und wie sie sich möglicherweise verhielten. Über den Nachwuchs der prähistorischen Riesen allerdings, können auch Experten oft nur spekulieren. Denn Funde wie die eines trächtigen Urzeit-Reptils oder die „Milchzähne“ von Baby-Dinos haben Seltenheitswert.
So auch ein spektakuläres Fossil von einem vorzeitig geschlüpften Dino-Embryo in seinem Gelege, das aus Henan stammt: In der chinesischen Provinz wurden Anfang der 1990er Jahre gleich tausende Dinosauriereier gefunden. Die ortsansässigen Farmer verkauften die Fossilien oft weiter, sodass viele der Funde in alle Welt verschifft wurden. Doch eines davon wurde 1993 in die USA importiert und gab dort sein versteinertes Geheimnis Preis.
„Baby Louie“ auf Reisen
Bei der Untersuchung des Fossils kam der Teil eines Dinosauriergeleges mit mehreren Eiern und einem kleinen Skelett zum Vorschein. Der Dino aus dem Ei wurde unter dem Namen „Baby Louie“ weltbekannt – in Anlehnung an den Fotografen Louis Psihoyos, der das Fossil für ein Fachmagazin abgelichtet hatte. Um welche Art es sich bei Baby Louie genau handelte, blieb damals jedoch unklar.
Die wissenschaftliche Erforschung des Dino-Babys gelang erst, nachdem das Fossil 2013 zurück nach China gebracht wurde. Nun enthüllen Paläontologen um Hanyong Pu vom Geologischen Museum in Henan nach eingehender Untersuchung, dass es sich bei dem versteinerten Dino-Embryo um eine völlig neue Spezies handelt.
Chinesischer Babydrache
Beibeilong sinesis oder chinesischer Babydrache, wie die neu bestimmte Art auf Deutsch heißt, war den Forschern zufolge ein besonders großes Exemplar aus der Gruppe der Oviraptorosauria – zweibeinig laufende Theropoden, die ein vogelähnliches Erscheinungsbild hatten. Seine Nester waren vermutlich zwei bis drei Meter im Durchmesser und enthielten Dutzende riesenhafte Eier.
Basierend auf dem Skelett von Baby Louie sowie Vergleichen mit nahen Verwandten schätzen die Paläontologen die Größe eines ausgewachsenen Vertreters dieser Art auf bis zu acht Meter und sein Gewicht auf bis zu drei Tonnen. Damit ist Beibeilong sinesis der größte Dinosaurier, der auf einem Nest brütete und wahrscheinlich Brutpflege betrieb. „Einen Koloss wie diesen auf seinem Nest voller Eier sitzen zu sehen – das wäre ein unvergesslicher Anblick gewesen“, malt sich Mitautorin Darla Zelenitsky von der University of Calgary aus.
Rätsel um Rieseneier
Baby Louie hatte für die Fachwelt aber schon lange vor der genauen Beschreibung seiner Art eine besondere Bedeutung. Denn es ist der einzige Fund, bei dem ein Skelett in engem Zusammenhang mit den Überresten von außergewöhnlich großen Dinoeiern – Macroelongatoolithus genannt – gefunden wurde. Damit half Baby Louie den Wissenschaftlern bei der Erforschung solcher fossilen Rieseneier.
Welchen Dinosauriern die fünf Kilogramm schweren und bis zu 45 Zentimeter langen Macroelongatoolithus-Eier zuzuordnen waren, war bis dahin noch ein Rätsel, wie Zelenitsky erklärt: „Viele dieser Eier wurden in den Felsen von Henan gefunden, wo auch Fossilien von großen Theropoden wie dem Tyrannosaurus freigelegt wurden. Daher glaubte manch einer zunächst, sie könnten zum Tyrannosaurus gehört haben.“
Doch Ende der 1990er Jahre kamen Paläontologen durch Baby Louie dann erstmals auf den Gedanken, dass nicht der Tyrannosaurus diese Eier gelegt hatte – sondern dass sie zu einer ganz anderen Spezies gehören könnten. Mit der aktuellen Studie sind nun auch die letzten Zweifel beseitigt: „Dank dieses Fossils wissen wir heute, dass diese Eier von gigantischen Oviraptorosauriern gelegt wurden: Dinos, die so ähnlich ausgesehen haben könnten wie ein übergroßer Kasuare, ein flugunfähiger Laufvogel“, erläutert Zelenitsky. (Nature Communications, 2017; doi: 10.1038/ncomms14952 )
(University of Calgary, Canada, 10.05.2017 – CLU)