Archäologie

Rätsel um Maya-Brustschmuck

War der Jade-Anhänger ein dem Windgott geweihtes Ritual-Objekt?

Extem ungewöhnlich: Der große, T-förmige Brustschmuck aus Jade trägt auf der Rückseite einen historischen Text aus Maya-Hieroglpyhen © UC San Diego

Prachtvoll und rätselhaft: In einem Maya-Grab in Belize haben Archäologen einen gleich in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlichen Jade-Brustschmuck entdeckt. Zum einen ist er der einzige bekannte Brustschmuck, der auf seiner Rückseite eine historische Inschrift trägt. Zum anderen wurde der Brustschmuck ohne seinen Besitzer begraben – er war nur von rituellen Objekten umgeben. Warum das so ist, lässt sich bisher nur raten.

Mit ihren Feinden gingen die Maya nicht gerade zimperlich um, wie Reliefs und ein in der Maya-Stadt Uxul entdecktes Massengrab belegen. Doch ihre eigenen Könige verehrten sie als gottähnlich und statteten sie mit prachtvollem Schmuck aus – auch im Tode. Typisch dafür war ein Brustschmuck, der bei Zeremonien getragen wurde.

Grab ohne den Toten

Einen solchen, extrem ungewöhnlichen Brustschmuck haben Archäologen an völlig unerwarteter Stelle entdeckt: in der eher kleinen Maya-Ruinenstadt Nim Li Punit im Süden Belizes. Dieser Ort war vom Jahr 150 bis 850 besiedelt und besaß mehrere Plätze und Stufenpyramiden, galt aber bisher als eher wenig bedeutend im Mayareich.

Als Geoffrey Braswell von der University of California in San Diego und seine Kollegen Ausgrabungen in der Ruine eines Palastes durchführten, stießen sie auf ein kollabiertes, aber nicht geplündertes Mayagrab aus der Zeit um das Jahr 800. In ihm fanden sie 25 Tongefäße, eine Götterfigur aus Stein und einen prachtvollen Jade-Brustschmuck. Von einem Toten jedoch fehlte jede Spur.

Zweitgrößtes Jade-Objekt Belizes

Der Brustschmuck hat die Form eines „T“ und ist knapp 20 Zentimeter breit und zehn Zentimeter lang. Er ist damit das zweitgrößte Jade-Objekt der Maya, das je in Belize gefunden wurde, wie die Archäologen berichten. „Wir hätten so etwas in einer der großen Städte der Maya-Welt erwartet“, sagt Braswell. „Aber stattdessen haben wir es hier in Nim Li Punit gefunden, weit vom Zentrum des Maya-Reiches entfernt.“

Vorder- und Rückseite des Jade- Brustschmucks und weitere im Grab gefundene Objekte. Der Gefäß könnte den Windgott der Maya darstellen. © Braswell

Ungewöhnlich ist der Brustschmuck auch durch seine Verarbeitung: Trotz ihrer Größe ist die Jadeplatte nur rund 0,7 Zentimeter dick. Die Jade in diese dünne Form zu sägen, ist angesichts der begrenzten handwerklichen Möglichkeiten der Maya eine echte Kunst, wie die Forscher erklären. Denn zum Sägen der Jade nutzten die Maya nur eine gefettete Schnur, der sie durch Jadestaub „Biss“ verliehen.

Erster historischer Text auf einem Brustschmuck

Noch außergewöhnlicher aber ist die Beschriftung des Brustschmucks: Auf der Vorderseite trägt er die Hieroglyphe „ik“, die für Wind oder Atem steht. Auf der Rückseite aber sind 30 Hieroglyphen eingraviert, die offenbar die Geschichte seines ersten Besitzers erzählen. Damit ist dies das erste Objekt dieser Art, das mit einem historisch-erzählenden Text beschriftet ist, so die Archäologen.

„Dadurch spricht er buchstäblich zu uns“, sagt Braswell. „Die Geschichte, die er erzählt, ist kurz, aber wichtig.“ Bisher ist dieser Text erst in Teilen entziffert, doch aus dem Wenigen geht hervor, dass der Brustschmuck offenbar für den Mayakönig Janaab‘ Ohl K’inich angefertigt wurde. Der König trug den Schmuck erstmals im Jahr 672 bei einem Ritual, das für günstiges Wetter sorgen sollte.

In Nim Li Punit gibt es noch weitere Mayagräber. Doch in einem ungeplünderten Grab nur Objekte ohne einen Toten zu finden, ist extrem ungewöhnlich. © Dennis Jarvis/ CC-by-sa 2.0

Gründer einer Dynastie?

Interessanterweise ist dieser König der erste, der überhaupt in der Maya-Stadt Nim Li Punit erwähnt wird oder Spuren hinterlassen hat. Vor seiner Regierungszeit gab es keinerlei Hinweise darauf, dass dieser Ort einen eigenen König hatte. Alle Hieroglyphen oder Reliefs mit Bezug zu einem König tauchen erst nach seiner Regierungszeit auf. Braswell vermutet daher, dass Janaab‘ Ohl K’inich eine neue Königsdynastie gründete, die dann bis zum Ende der Stadt regierte.

Seltsamerweise aber wurde der Schmuck diesem König trotz seiner augenscheinlich großen Bedeutung nicht mit ins Grab gegeben, wie sonst üblich. Stattdessen wurde die Jadeplatte offenbar auch von späteren Mayakönigen noch bei Wetterzeremonien getragen, wie zwei ganz in der Nähe entdeckte Relieffiguren aus den Jahren 721 und 731 bestätigen: Sie zeigen jeweils einen Mayakönig, der den T-förmigen Anhänger trägt, während er Weihrauch verteilt.

Dem Windgott geweiht

„Diese Brustplatte war offensichtlich mehr als nur ein Schmuckstück“, sagt Braswell. „Es hatte für die Maya immense Macht und Magie.“ Möglicherweise erklärt dies, warum der Jade-Schmuck erst um 800 begraben wurde – zu einer Zeit, als das Klima Mittelamerikas trockener und unbeständiger wurde und die Maya begannen, diese und andere Städte aufzugeben.

Nach Ansicht von Braswell könnten die Maya das wertvolle Kultobjekt als eine Art Opfergabe für den Windgott eingemauert haben. Zusammen mit einigen Gefäßen, die den Mayagott des Windes darstellen könnten, sollte diese Opfergabe vielleicht wieder günstigeres Wetter heraufbeschwören. „Die Tatsache, dass dieses Grab genau zu Zeit dieser Klimakrise dem Windgott geweiht war, stützt diese Theorie“, so der Archäologe.

Ob das rätselhafte Windgott-Grab tatsächlich diesem Zweck diente und der Tote demnach absichtlich fehlte, hoffen die Forscher durch weitere Ausgrabungen in diesem Jahr klären zu können. Auch die vollständige Entzifferung der Hieroglyphen ist noch in Arbeit – und könnte mehr Aufschluss geben. (Ancient Mesoamerica, 2016; doi: 10.1017/S095653611600033X)

(University of California – San Diego, 01.03.2017 – NPO)

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