Forscher rätseln über eine unerklärliche Zusammenrottung von riesigen Fischen im französischen Fluss Rhone: In einem Bereich südlich von Lyon entdeckten sie wiederholt bis zu 2,10 Meter lange Europäische Welse, die sich zu dicht gedrängten Gruppen ballten. Solche kolossalen Ansammlungen des größten Süßwasserfischs Europas habe man noch nie zuvor gesehen, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „PloS ONE“. Allein der Kot dieser Fischgruppen reiche aus, um den Nährstoffhaushalt des Flusswassers stark zu verändern.
Die Ursache für dieses für Welse ungewöhnliche Verhalten sei noch völlig rätselhaft. „Die beobachteten Aggregationen standen weder mit normalem Schwarmverhalten, noch mit der Fortpflanzung, der Nahrungsaufnahme oder dem Vermeiden von Fressfeinden in Zusammenhang“, sagen die Forscher.
Die ursprünglich in Seen und Flüssen Osteuropas heimischen Europäischen Welse (Silurus glanis) können Längen von mehr als fast drei Metern und ein Gewicht von gut 100 Kilogramm erreichen. In die südfranzösische Rhone gelangte diese räuberische Fischart vor rund 150 Jahren, als sie vom Menschen dort ausgesetzt und angesiedelt worden war.
Kot der Welse verursacht massive Überdüngung
Die Ansammlungen der riesigen Fische könnten auch bedeutende Konsequenzen für das Ökosystem in der Rhone haben, meinen die Forscher um Fréderic Santoul von der Université de Toulouse. Der von den bis zu 65 Kilogramm schweren Tieren abgegebene Kot gebe große Mengen von Nährstoffen in das Wasser ab. „Die Phosphorabgabe über den Kot übertrifft die maximale bisher beobachtete Exkretion bei Fischen um das 83- bis 286-Fache, die von Stickstoff um das 17- bis 56-Fache“, schreiben die Wissenschaftler.
Damit repräsentiere diese Ansammlung gebietsfremder Fische den höchsten jemals im Süßwasser gefundenen biogeochemischen Hotspot. Als einen solchen Hotspot bezeichnen Forscher Bereiche, in denen Tiere mehr Nährstoffe produzieren als die dort lebenden Pflanzen benötigen oder verarbeiten können. Die Fische seien damit Ursache für eine starke lokale Überdüngung. Dies sei ein zuvor unerwarteter ökologischer Nebeneffekt dieser eingeschleppten Tierart.
Tauchgänge über zwei Jahre hinweg
Im Rahmen ihrer Studie hatten die Forscher das Verhalten der Welse in einem Teilstück der Rhone etwas flussabwärts der Stadt Lyon über zwei Jahre hinweg beobachtet. In insgesamt 17 nachmittäglichen Tauchgängen zu unterschiedlichen Jahreszeiten kartierte, fotografierte und filmte ein Taucher die Tiere. Jedes Mal habe dieser im Wasser kugelförmige Ansammlungen von 15 bis 44 eng gedrängten Welsen vorgefunden.
„Die einzelnen Tiere waren aktiv, schwammen ständig umher, bewegten sich aber nicht alle in die gleiche Richtung, wie es bei Fischschwärmen normalerweise der Fall ist“, schildern die Forscher das beobachtete Verhalten. Die normalerweise eher einzelgängerischen Tiere hätten dabei keinen Mindestabstand zum Nachbarn eingehalten, sondern sich beim Schwimmen aneinander gerieben.
Ein ungewöhnliches Paarungsritual könne diese Art der Ansammlung nicht sein. Man habe keinerlei Balzverhalten zwischen den Tieren beobachten können, berichten die Wissenschaftler. Zudem ließ sich die Gruppenbildung während des gesamten Jahres beobachten, auch zu Zeiten, in denen das Wasser für eine Laichablage viel zu kalt war.
„Auch eine Gruppenbildung zwecks leichterem Beutefang ist unwahrscheinlich, da die Tiere in diesen Ansammlungen keinerlei Beute fraßen und auch kein Nahrungssuchverhalten zeigten“, schreiben die Forscher. (PloS ONE, 2011; doi:10.1371/journal.pone.0025732)
(PloS ONE / Université de Toulouse / dapd, 06.10.2011 – NPO)