Regenwürmer sind nützliche Tiere: Sie sorgen dafür, dass der Boden gut durchlüftet und gelockert wird und die Pflanzen so optimal wachsen können. Aber die wendigen Würmer haben auch eine Schattenseite: Ihre Wühltätigkeit regt im Boden Prozesse an, die mehr Kohlendioxid (CO2) und Lachgas (N2O) freisetzen – beides Treibhausgase, die unser Klima anheizen. Böden mit Wurmbesatz erzeugen demnach ein Drittel mehr CO2 und 40 Prozent mehr Lachgas, wie ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Nature Climate Change“ berichtet.
„Regenwürmer sind wahre Ökosystem-Ingenieure“, erklären Ingrid Lubbers von der Universität Wageningen in den Niederlanden und ihre Kollegen. Die Würmer zerren frische Blatt- und Streureste tief unter die Erde und servieren sie damit den dort lebenden Bakterien quasi „frei Haus“. Sie bohren Gänge kreuz und quer und lockern so die Bodenstruktur auf, frische Luft kann so auch auf in tiefere Erdschichten vordringen. Und schließlich scheiden sie über ihren Kot organisches Material aus, das vorverdaut ist und so Bakterien und Pilzen den Zugriff auf die darin enthaltenen Nährstoffe erleichtert. Selbst ihr Darm trägt etwas bei: Er bietet nitratabbauenden Mikroben ideale Bedingungen, weil in ihm Wasser und Nährstoffe reichlich, Sauerstoff aber nahezu gar nicht vorhanden sind.
Mehr Würmer, mehr Treibhausgase?
Welche Auswirkungen diese vielen Wechselwirkungen der Regenwürmer mit ihrer Umwelt für die Nährstoff- und vor allem die Gasbilanz der Böden haben, war bisher allerdings unklar, wie Lubbers und ihre Kollegen berichten. Es habe einige Hinweise darauf gegeben, dass die Tiere das Pflanzenwachstum anregen und die Speicherung von kohlenstoffhaltigen Verbindungen im Boden fördern – beides Prozesse, die dazu beitragen, die Freisetzung von Treibhausgasen in die Atmosphäre zu reduzieren. Andererseits aber fördern die Würmer Mikrobentätigkeiten, die zum Abbau organischer Substanzen und damit zur verstärkten Bildung von gasförmigem CO2 und Distickstoffoxid (Lachgas) führen. Was also sind die Regenwürmer? Klimaschützer oder Klimasünder?
„In den nächsten Jahrzehnten wird die Präsenz von Regenwürmern in den Ökosystemen weltweit noch zunehmen“, sagen die Forscher. Diese Frage zu klären sei also dringend nötig. Schon jetzt erobern die Würmer dank des milderen Klima zuvor wurmfreie Gebiete Nordamerikas, zudem fördert der Eintrag organischer Dünger die Wurmdichte. Um den Klimaeffekt der Würmer zu untersuchen, sammelten Lubbers und ihr Team Daten aus 57 bereits publizierten Studien und werteten diese erneut systematisch aus. Sie untersuchten dabei sowohl, welche Rolle es spielt, ob auf dem Boden Pflanzen wachsen, als auch, ob bestimmte Regenwurmarten den Kohlenstoff- und Stickstoffhaushalt des Bodens stärker beeinflussen als andere.
Mehr Emission bei Düngung
Das Ergebnis: „Unsere Metaanalyse deutet stark daraufhin, dass Regenwürmer die Nettoemissionen von Treibhausgasen aus dem Boden erhöhen“, konstatieren Lubbers und ihre Kollegen. Die Präsenz von Regenwürmern erhöht demnach die Freisetzung von Lachgas im Durchschnitt um 42 Prozent, von Kohlendioxid um 33 Prozent. Dadurch verstärke der Wurm das globale Erwärmungspotenzial – den Beitrag der Böden zum Klimawandel – um immerhin 16 Prozent.
Allerdings, auch das zeigte die Auswertung, ist dieser Effekt nicht unter allen Umständen gleich groß. Am meisten Lachgas und CO2 setzten demnach Böden frei, in denen sogenannte anektische Arten lebten – Regenwürmer, die nicht nur in einer Bodenschicht bleiben, sondern sich vertikal durch das Erdreich graben und dabei regelmäßig frische Pflanzenteile bis in tiefe Erdschichten ziehen. Um die Treibhausgas-Emissionen zu erhöhen, reichte es bereits aus, wenn weniger als 150 Tiere pro Quadratmeter Bodenfläche vorhanden waren, wie die Forscher berichten. Und auch die Düngung der Böden spielt eine Rolle für den Wurmeffekt: Wurden die Böden mit Mineraldüngern versetzt, stieg die CO2-Emission bei Wurmbesatz um bis zu 61 Prozent an, organische Nährstoffe erhöhten dagegen die Lachgasabgabe bis auf 69 Prozent.
„Die Interaktion der Regenwürmer mit dem Boden-Ökosystem und der Umwelt ist sehr komplex, daher bleiben viele Fragen noch offen“, betonen die Forscher. So sei beispielsweise noch nicht klar, ob der positive Effekt der Würmer auf das Pflanzenwachstum ausreiche, um die erhöhten Emissionen auszugleichen. Dennoch deute das Ergebnis dieser Metastudie darauf hin, dass diese Bodenbewohner zwar positiv für die Bodenfruchtbarkeit seien, aber andererseits auch zur Treibhausgas-Emission der Böden beitragen. (Nature Climate Change, doi: 10.1038/NCLIMATE1692)
(Nature Climate Change, 04.02.2013 – NPO)