Im Namen Gottes: Während des Ersten Kreuzzugs wurde Jerusalem auf grausame Weise von einem Kreuzritterheer erobert. Archäologen haben nun spannende Relikte dieser Belagerung vor fast tausend Jahren entdeckt. Sie stießen auf einen Graben, den die Bewohner der Stadt damals als Verteidigung vor der Stadtmauer aushoben – ein Detail, das bisher nur aus historischen Texten bekannt war. Außerdem barg das Team Pfeilspitzen und wertvollen Schmuck, bei dem es sich wahrscheinlich um Beute der Kreuzfahrer handelt.
Die Kreuzzüge waren eine prägende Phase für die Geschichte Europas und des Nahen Ostens. Ab dem Jahr 1095 machten sich hunderttausende Kreuzritter und Fußsoldaten aus unterschiedlichen Regionen unseres Kontinents auf den Weg ins „Heilige Land“, um dieses und vor allem die für das Christentum bedeutende Stadt Jerusalem aus den Händen der Moslems zu befreien.
„Flüsse aus Blut“
Schon beim Ersten Kreuzzug, der als bewaffnete Pilgerfahrt von Laien begann, kam es zum Sturm auf Jerusalem. Der historischen Überlieferung nach erreichten die Kreuzfahrer die heilige Stadt im Juni 1099, die sich zu diesem Zeitpunkt unter der Herrschaft der ägyptischen Fatimiden befand. Fünf Wochen lang sollen sie Jerusalem belagert haben, bevor sie die Stadt nach einem verlustreichen Kampf schließlich erobern konnten und ein grausames Gemetzel anrichteten.
„Die Geschichtsschreiber sprechen von Flüssen aus Blut, die durch die Straßen Jerusalems flossen – und das ist womöglich keine Übertreibung“, erklärt Shimon Gibson von der University of North Carolina in Charlotte. So sollen die Kreuzritter nicht nur muslimische Fatimiden und Juden getötet haben, sondern auch noch in der Stadt verbliebene Christen. „Die lokalen Christen galten als genauso ketzerisch wie die Muslime und die Juden“, berichtet der Historiker.
Ein Graben zur Verteidigung
Ein archäologischer Fund bestätigt nun interessante Details zum Ablauf dieser Belagerung Jerusalems vor knapp tausend Jahren: Gibson und seine Kollegen sind am Zionsberg auf Spuren eines Grabens gestoßen, den die Fatimiden damals als Verteidigung entlang der südlichen Stadtmauer anlegten. Dieser Graben verhinderte, dass die Angreifer ihren Belagerungsturm an der Mauer aufstellen konnten und verschaffte den Bewohnern der Stadt wertvolle Zeit – so zumindest die Legende.
Handfeste Belege für die Existenz dieses Grabens fehlten allerdings bis jetzt: „Wir können nun zum ersten Mal bestätigen, was in bedeutenden historischen Texten immer wieder erwähnt wird“, konstatiert Gibson. Wie er und sein Team berichten, verrieten Datierungen der Bodenschichten, dass an dem Fundort im elften Jahrhundert eine etwa 17 Meter breite und vier Meter tiefe Struktur ausgehoben wurde, die später wieder mit Material gefüllt wurde.
Pfeilspitzen und Schmuckstücke
Doch das ist noch nicht alles: In der Nähe des Grabens stieß das Forscherteam auch auf eine Reihe von Artefakten aus dieser Zeit – darunter Pfeilspitzen, bronzene Kreuzanhänger und ein einzigartiges mit Perlen und bunten Steinchen verziertes Schmuckstück aus Gold. „Der Schmuck könnte ägyptischen Ursprungs sein und als Ohrring oder Schleierhalterung fungiert haben“, berichtet Gibson. Er ist sich sicher, dass es sich bei dem Fund um Beute der Kreuzritter handelt.
Interessant sind allerdings nicht nur die Fundstücke selbst, sondern auch der Entdeckungsort. Denn die Wissenschaftler bargen die Artefakte aus den Ruinen eines erdbebengeschädigten Gebäudes. Sie vermuten, dass die Struktur durch das Beben von 1033 zerstört wurde und somit schon vor dem Angriff der Kreuzritter eine Ruine war. „Man kann sich vorstellen, dass die Kreuzritter, die die Stadt von Süden her angriffen, diese Ruine als Deckung nutzten“, spekuliert Gibson.
Erst aus Norden erfolgreich
Die neuen Erkenntnisse über den Ersten Kreuzzug sind nach Ansicht der Forscher von besonderem Wert, denn die Schlacht markiert einen prägenden Moment in der Geschichte Jerusalems. „Die Eroberung durch die Kreuzfahrer ist eines von mehreren katastrophalen Ereignissen in der dramatischen und gewalttätigen Geschichte der Stadt“, erklären sie in einer Mitteilung.
Der von den Fatimiden ausgehobene Graben hat der Überlieferung zufolge übrigens tatsächlich Wirkung gezeigt. Zwar versuchten die Angreifer die Vertiefung zu füllen und die Barriere zu überwinden – letzten Endes konnten sie Jerusalem jedoch nicht vom Süden erobern. Erst von Norden aus waren sie erfolgreich. Die Archäologen hoffen, dass weitere Ausgrabungen und Analysen der Fundstücke schon bald noch mehr Details zur Eroberung der heiligen Stadt im Zuge des ersten Kreuzzugs der Geschichte liefern werden.
Quelle: University of North Carolina Charlotte