Riesige Unterwasser-Wälder mit meterhohen Gewächsen: Bis vor 250 Millionen Jahren war die Riesen-Seelilie ein prägender Teil des Urmeeres. Trotz ihres Aussehens ist sie keine Pflanze, sondern ist ein Verwandter der Seesterne. Die beeindruckende Art ist nun von der Paläontologischen Gesellschaft zum Fossil des Jahres 2014 ernannt worden.
Seelilien gibt es auch heute noch: Sie sind verwandt mit den Seesternen und leben in bis zu 6.000 Metern Tiefe im Meer. Mit ihren gefiederten Armen am Ende des kalkhaltigen Stieles filtern sie Nahrungspartikel aus dem Wasser. Allerdings sind die heutigen Exemplare mit bis zu einem halben Meter deutlich kleiner als ihre ausgestorbenen Verwandten. Diese konnten bis auf fast 20 Meter heranwachsen. Je nach Umweltbedingungen lebten sie entweder festsitzend auf dem Meeresgrund oder aber freischwimmend als Einzeltiere oder in Kolonien auf Treibholz.
Versteinerte Stiele als Halskette
In einigen Gebieten des heutigen Mitteleuropa waren Seelilien in der Mittleren Trias so häufig, dass sie dicke Kalksteinschichten hinterließen, den sogenannten Trochitenkalk. Als Trochiten bezeichnet man die versteinerten Glieder ihrer Stiele. Bereits in der Steinzeit wurde dieser Trochitenkalk zu Halsketten verarbeitet. Aber auch in Gänze erhaltene Fossilien dieser riesigen Art sind seit mehr als 300 Jahren bekannt.
Wegen der zahlreichen Fundorte in Süddeutschland bezeichnet man die Riesen-Seelilie auch als „Schwäbisches Medusenhaupt“, nach der mythologischen Medusa, deren Anblick Menschen zu Stein erstarren ließ. Wegen ihres Bekanntheitsgrades und ihrer wissenschaftshistorischen Bedeutung hat die Paläontologische Gesellschaft e.V. die Riesen-Seelilie zum Fossil des Jahres 2014 ernannt.
Im Jahr 1821 beschrieb der Zoologe John Sebastian Müller die Riesen-Seelilie zum ersten Mal systematisch. Bekannt waren Fossilien der Art aber schon deutlich früher. Bereits 1724 prägte der Theologe Eberhard Friedrich Hiemer den Begriff „Medusenhaupt“. Er verglich versteinerte Riesen-Seelilien auf einer um 1700 in Württemberg gefundenen Schieferplatte mit noch heute in der Arktis lebenden Vetretern dieser Tiergruppe. Diese sind mit höchstens einem halben Meter Größe allerdings deutlich kleiner als ihre ausgestorbenen Verwandten. Hiemers Ansicht nach war die biblische Sintflut ausreichend, um die Organismen vom Polarkreis bis nach Süddeutschland zu spülen.
Kolonien von gewaltiger Größe
Die von Hiemer beschriebene Platte befindet sich heute in der geowissenschaftlichen Sammlung der Universität Göttingen und gilt als Musterbeispiel für die Riesen-Seelilie. Die größte Seelilienkolonie, die weltweit je gefunden und präpariert wurde, ist im Urwelt-Museum Hauff in Holzmaden ausgestellt. Die an einem Treibholz festgewachsene Kolonie erreicht die gewaltige Größe von 18 Metern Höhe und sechs Metern Breite.
Weitere herausragende Stücke des „Fossils des Jahres 2014“ befinden sich im Urweltmuseum Hauff, dem Berliner Naturkundemuseum sowie der Paläontologischen Sammlung an der Universität Tübingen.
Seit 2008 kürt die Paläontologische Gesellschaft alljährlich ein Fossil des Jahres. Zunächst erhielten allein besonders auffällige oder bedeutende Einzelfunde diese Auszeichnung. Das „Schwäbische Medusenhaupt“ ist die erste fossile Art, die als ganzes gewürdigt wird.
(Paläontologische Gesellschaft e.V., 14.02.2014 – AKR)