Immer wieder wird Japan von Erdbeben erschüttert. Vor seiner Küste liegt im Untergrund eine gigantische, 120 Kilometer lange tektonische Störung. Mithilfe von Bohrproben haben Wissenschaftler nun erstmals Entstehung und Verhalten dieses „Megasplays“ enträtselt. Wie sie jetzt in „Nature Geoscience“ Online berichten, ist der Riss in der Erdkruste zwei Millionen Jahre alt und war im Lauf der Zeit unterschiedlich aktiv.
Im Rahmen des Forschungsprojekts NanTroSEIZE versuchen Wissenschaftler zu verstehen, warum die Erde gerade in Japan so oft bebt. Während einer Expedition mit dem Bohrschiff CHIKYU vor die japanische Westküste entnahmen Michael Strasser, Wissenschaftler am MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen und seine internationalen Kollegen Bohrproben vom Meeresboden im Nankai-Trog, einer der aktivsten Erdbebenzonen weltweit. Hier taucht die ozeanische Philippinische Platte mit einer Geschwindigkeit von vier Zentimeter pro Jahr unter die Eurasische Kontinentalplatte ab. Dabei schabt die obere Eurasische Platte Teile des Meeresbodens von der unteren Philippinischen Platte.
Gigantische Störung vor der Küste
Eingekeilt zwischen den mächtigen Erdplatten gerät das abgeschabte Sedimentmaterial unter enormen Druck. Risse entstehen, sogenannte Störungen. Vor Japan ist der landwärts gelegene Teil des Nankai- Sedimentkeils von einer prominenten Störung durchzogen, die sich parallel zur Küste über eine Länge von 120 Kilometer erstreckt. „Wir bezeichnen solche gigantischen Störungen als Megasplays“, erklärt Strasser. „Sie können die Bewegungen, die bei Erdbeben in großen Tiefen entstehen bis zum Meeresboden übertragen. Unter Umständen löst das dann Tsunamis aus.“
Bislang waren die Kenntnisse über Megasplay-Störungen lückenhaft. Sie stammten aus seismischen Untersuchungen und aus Modellrechnungen. „Mit den Bohrkernen vom Meeresboden, die wir an Bord der CHIKYU gewonnen haben, ist es nun erstmals möglich, die geologische Vergangenheit solcher Störungen im Detail nachzuzeichnen,“ so der MARUM-Forscher. Mit den Informationen aus den Bohrkernen können die Wissenschaftler beschreiben in welchen geologischen Zeiträumen die Störung besonders aktiv war.
Schwankungen der Aktivität
Zusammen mit seinen Kollegen fand Strasser heraus, dass sich die Störung im Nankai-Trog vor etwa zwei Millionen Jahren entwickelte. „Unser wichtigstes Ergebnis ist, dass die Aktivität der Nankai-Störung über die Jahrhunderttausende schwankt,“ sagt der Geowissenschaftler. Nach einer anfänglichen Phase hoher Aktivität, ließ die Bewegung entlang der Störung nach. „Aber vor etwa 1,55 Millionen Jahren wurde die Störung reaktiviert. Seitdem begünstigt sie die Ausbreitung der Erdbebenwellen aus der Tiefe.“
Erkundung der seismogenen Zone
Der Nankai-Trog ist für die Erdbebenforschung auch deshalb besonders geeignet, weil historische Aufzeichnungen über Beben und Tsunamis in dieser Region bis ins siebte Jahrhundert zurückreichen. Zudem liegt hier die sogenannte seismogene Zone, also jene Region, in der Erdbeben ihren Ausgang nehmen, nur etwa sechs Kilometer unter dem Meeresboden.
Ziel des Projekts NanTroSEIZE ist es, im Lauf der kommenden Jahre von Bord der CHIKYU Bohrungen bis hinab in diese Zone abzuteufen. Das Kürzel NanTroSEIZE steht für Nankai Trough Seismogenic Zone Experiment und ist Teil des Integrierten Ozeanbohr-Programms IODP. „Letztendlich hoffen wir, eines Tages Signale aufzuspüren, die direkt vor einem Erdbeben auftreten. Das wäre ein großer Schritt vorwärts in unserem Bestreben, den Ablauf von Erdbeben und Tsunamis besser zu verstehen“, erklärt Strasser.
(MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen, 18.08.2009 – NPO)