Sauropoden wie Brachiosaurus, Diplodocus und Apatosaurus waren mit einer Körperlänge von fast 40 Metern, einer Höhe von 17 Metern und einem Gewicht von bis zu 100 Tonnen die größten Landtiere, die je die Erde bewohnten. Ihr einzigartiger Gigantismus war möglich, weil sie Eier legten und viele Nachkommen hatten, die Nahrung nur herunter schlangen statt sie zu kauen, eine vogelähnliche Lunge aufwiesen und eine flexible Stoffwechselrate hatten. Dies berichten jetzt Bonner und Züricher Forscher in der aktuellen Ausgabe von „Science“.
Dinosaurier werden in der Regel als eine Sackgasse der Evolution betrachtet. Ihr noch immer nicht vollends erklärtes Aussterben verleitet gerne zu der Ansicht, sie seien keine wirklich erfolgreiche Wirbeltier-Gruppe gewesen. Doch die pflanzenfressenden Sauropoden – als größte Landtiere aller Zeiten – bildeten nicht nur 120 verschiedene Gattungen aus, sondern dominierten auch die terrestrischen Ökosysteme ihrer Zeit über 100 Millionen Jahre lang – länger als alle anderen Lebewesen. Wenn pflanzenfressende Säugetiere jemals gleich erfolgreich sein wollen, müssen sie ihre gegenwärtige Überlebenszeit auf der Erde noch einmal verdoppeln.
Schlucken statt kauen
Der Paläontologe Professor Martin Sander von der Universität Bonn und Marcus Clauss von der Universität Zürich haben jetzt neue Erkenntnisse dazu vorgestellt, warum die Sauropoden so groß werden konnten. Danach wiesen die Sauropoden im Gegensatz zu Säugetieren die evolutionsgeschichtlich „altmodische“ Eigenschaft auf, dass sie ihr Futter nicht kauten. Sie hatten keine Zähne, die den Kopf mit steigendem Körpergewicht überproportional größer machen. Es gab also keine Beschränkung durch übergroße Köpfe, und somit wurden auch die sehr langen Hälse möglich – eine Form, die bei Säugetieren komplett fehlt.
Denn selbst die Hälse der Giraffe oder des Kamels sind im Vergleich zu den Sauropoden-Hälsen extrem kurz. Sauropoden schlossen die Nahrung nach Angaben der Wissenschaftler also nicht durch Kauen auf, sondern erledigten die Verdauung schlicht durch eine lange Verweildauer der Nahrung in ihren riesigen Därmen.
Sauropoden hatten aber noch eine andere „altmodische“ Eigenschaft – sie legten Eier. Die für die Fortpflanzung benötigte Energie wurde nicht in ein einziges, gut gehütetes Jungtier gesteckt, sondern in zahlreiche Nachkommen. Wenn eine Naturkatastrophe die Population deutlich reduzierte, konnten so wenige Elterntiere rasch Nachkommen produzieren, so dass sich die Population schnell erholen konnte. „Dies ist ein wichtiger Grund für den langen, bisher ungebrochenen Überlebensrekord des Modells Dinosaurier“, erklärt Clauss.
Vogelartige Lungen
Eine Eigenschaft der Sauropoden und einiger anderer Dinosaurier war jedoch hoch entwickelt und findet ein Äquivalent in Tierreich wohl nur bei Vögeln – ihre vogelartigen Lungen. Das Lungensystem von Vögeln ist durch verschiedenste große Luftsäcke in ihrem Körper gekennzeichnet, die auch in die Knochen hineinreichen und diese dadurch leicht machen.
In Sauropoden-Knochen, vor allem in den Halswirbeln, wurden zahlreiche Hinweise auf eine solche „Pneumatisierung“ gefunden. Diese hocheffektiven Lungen könnten einerseits eine hohe Stoffwechselrate insbesondere bei jungen Tieren ermöglicht haben, so die Forscher. Andererseits hätten die Luftsäcke und Knochen-Pneumatisierung den riesigen Hals leicht gemacht und zugleich die innere Oberfläche der Tiere vergrößert, so dass durch die Atmung mehr Wärme an die Umgebung abgegeben werden konnte.
Säugetierähnlicher Stoffwechsel?
Eine letzte, vermeintlich hoch entwickelte Eigenschaft wird für die Sauropoden diskutiert – nämlich eine Stoffwechselrate, die sich im Laufe der Entwicklung vom Jungtier zum erwachsenen Stadium deutlich verändert. Ein Äquivalent dazu ist im heutigen Tierreich nicht bekannt. Diese Eigenschaft kann nicht anhand von fossilen Kunden belegt werden, sondern ergibt sich aus einem logischen Dilemma: die Wachstumsraten der Sauropoden waren enorm und denen von Säugetieren vergleichbar – das weiß man aus Untersuchungen von Wachstumszonen am Knochen.
Ein zehn Kilogramm schwerer Schlüpfling erreichte ein Körpergewicht von bis zu 30 Tonnen innerhalb von circa 20 Jahren. Ein solches Wachstum ist ohne einen eine säugetierähnliche Stoffwechselrate nicht denkbar.
Berechnungen zeigen jedoch, dass ein ausgewachsener Sauropode selbst mit der vergrößerten inneren Oberfläche mit einem Säugetier-Stoffwechsel überhitzen würde. „Die einfachste Erklärung wäre, dass bei diesen Tieren die Stoffwechselrate mit zunehmender Körpergröße absinkt“, sagt der Paläontologe Sander.
Die Mischung macht‘s
Der Gigantismus der Sauropoden lässt sich nach Angaben der Wissenschaftler deshalb aus einer Kombination von evolutionsgeschichtlich alten Eigenschaften – Fortpflanzung mittels Eiern, keine Zerkleinerung der Nahrung – und hochmodernen Anpassungen (vogelartige Lunge, flexibele Stoffwechselrate) erklären. Säugetiere weisen dagegen eine andere Kombination von modernen Anpassungen auf (Fortpflanzung mit Lebendgeburt, hochgradige Zerkleinerung der Nahrung mittels Zähnen, hohe Stoffwechselrate), die höchstwahrscheinlich die maximal mögliche Körpermasse einschränken.
(idw – Universität Bonn / Universität Zürich, 10.10.2008 – DLO)