Geowissen

Riesiges CO2-Reservoir unter der Wüste entdeckt

Aquifer unter der Taklamakan entpuppt sich als gewaltige Kohlenstoffsenke

Wasserstelle am Rand des Tarimbeckens © Yan Li

CO2-Pool unter dem Sand: Wüsten spielen offenbar eine größere Rolle im globalen Kohlenstoff-Kreislauf als gedacht. Denn das Grundwasser tief unter ihrer Oberfläche könnte mehr CO2 speichern als alle Landpflanzen zusammengenommen. Wie Forscher im Fachmagazin „Geophysical Research Letters“ berichten, enthält das Aquifer unter der Taklamakan in China überraschend CO2-reiches Grundwasser.

Im Kohlenstoff-Kreislauf der Erde gibt es gleich mehrere große Senken – Puffer, die CO2 aufnehmen und für kürzere oder längere Zeit aus dem Verkehr ziehen. Zu diesen gehört neben den Ozeanen vor allem die Pflanzenwelt. Doch schon lange ist klar, dass noch mindestens eine große Senke in der Gleichung fehlt, denn nicht alles geschluckte CO2 lässt sich mit den bereits bekannten Puffern im Klimasystem erklären.

Yan Li von der chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking und seine Kollegen könnten nun das Rätsel der fehlenden Kohlenstoffsenke zumindest zum Teil gelöst haben. Für ihre Studie analysierten sie den CO2-Gehalt von Wasserproben aus dem Aquifer des Tarimbeckens im Westen Chinas – einem Grundwasservorkommen tief unter der Taklamakan-Wüste. Über den Gehalt des Isotops C14 in den Proben konnten sie zudem feststellen, wie lange der Kohlenstoff in diesem Wasser bereits im Untergrund gespeichert ist.

20 Milliarden Tonnen Kohlenstoff

Dabei entdeckten sie Überraschendes: Die Wasserproben enthielten mehr als doppelt so viel CO2 wie erwartet. Und der im Grundwasser gespeicherte Kohlenstoff war erstaunlich alt: „Das Alter des gelösten anorganischen Kohlenstoffs erhöhte sich linear von modernem am Rand des Tarimbeckens bis zu mehr als 10.000 Jahren in seiner Mitte“, berichten Li und seine Kollegen. Sie schließen daraus, dass mit einsickerndem Wasser vom Rand her ständig neuer Kohlenstoff hinzu gelangt.

Das Aquifer unter dem Tarimbecken speichert 20 Milliarden Tonnen Kohlenstoff. © NASA/GSFC

Wie sie errechneten, enthält allein das Aquifer unter dem Tarimbecken 20 Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Pro Jahr schluckt dieses Reservoir 3,6 Millionen Tonnen Kohlenstoff, der damit für viele Jahrtausende aus der Atmosphäre und dem Kohlenstoff-Kreislauf entfernt wird. „Die Tatsache, dass eine so riesige Kohlenstoff-Senke so lange unbekannt blieb, liegt wahrscheinlich einfach daran, dass sie in unzugänglichen Gegenden liegt und versteckt unter dem Sand der Wüste“, meinen die Forscher.

Bewässerung als Fahrstuhl in die Tiefe

Ein weiterer Grund könnte sein, dass das in normalen Böden versickernde Wasser nur wenig CO2 mit in die Tiefe nimmt. Doch wie die Forscher erklären, ist der Wüstenboden besonders salzreich und alkalisch und das erhöht die Löslichkeit des CO2 im Wasser. In den trockenen Kerngebieten der Wüste fällt zwar nur wenig Regen, doch in Oasen und vor allem durch die Bewässerungs-Landwirtschaft an den Rändern der Wüstengebiete gelangt jedoch sehr viel Wasser in die Tiefe.

Wie Li und seine Kollegen feststellten, nimmt Wasser in bewässerten Feldern doppelt so viel CO2 auf wie normal. Weil es im Sand besonders schnell versickert, nimmt es dabei noch zusätzliches CO2 von Mikroben im Wurzelbereich der Pflanzen auf – dieses hat sozusagen keine Chance nach oben zu entweichen, bevor es mit in die Tiefe gerissen wird. Die Messungen zeigen, dass sich die Menge des in das Tarim-Aquifer gespülten Kohlenstoffs seit Beginn der Landwirtschaft entlang der Seidenstraße vor rund 2.000 Jahren mehr als verzehnfacht hat.

So dicht unter der Oberfläche findet sich Wasser nur am Rand der Wüste © Yan Li

Einbahnstraße unterm Sand

Aber auch das allein reicht noch nicht, um diese gewaltigen Kohlenstoffsenken zu erklären. Es kommt ein weiterer Faktor hinzu: Die tiefe alten Grundwasservorkommen unter den Wüsten der Erde sind meist Einbahnstraßen: Das Wasser gelangt zwar hinein, liegt aber zu tief, um über Quellen, Gewässer oder selbst Brunnen in größerem Maße wieder hinaus zu gelangen. „Der Kohlenstoff in diesen geologischen Strukturen ist von dicken Schichten Sand bedeckt und kommt daher so gut wie nie in die Atmosphäre zurück“, sagt Li.

Rechnet man alle tiefen, salzhaltigen Aquifere unter den Wüsten der Erde zusammen, könnten weltweit 1.00 Gigatonnen Kohlenstoff in diesen verborgenen Senken gespeichert sein, so die Forscher. Das entspricht der ungeheuren Menge von 1.000 Billionen Kilogramm und ist rund ein Viertel mehr Kohlenstoff als in allen Landpflanzen zusammen.

Noch ist dies nur eine Hochrechnung, ausgehend von den Verhältnissen im Tarimbecken. Doch die Forscher gehen davon aus, dass die dort stattfindenden Prozesse überall ablaufen, wo der Boden alkalisch ist und genügend Wasser von oben nachfließt. „Die saline Aquifere fungieren als ‚Ozean‘ für diese hydrologischen Systeme auf den Landmassen“, konstatieren Li und seine Kollegen. „Der einzige Unterschied besteht darin, dass dieser Ozean von einer dicken Schicht aus sandigem Boden bedeckt ist.“ (Geophysical Research Letter, 2015; doi: 10.1002/2015GL064222)

(American Geophysical Union, 30.07.2015 – NPO)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Schriftzeichen

Ältestes Alphabet der Welt entdeckt?

Erstes Porträt eines extragalaktischen Sterns

Baby-Säbelzahnkatze im Permafrost entdeckt

Auch erwachsene Schimpansen spielen noch miteinander

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Marco Polo - Ein Leben zwischen Orient und Okzident

Oasen - Paradiese der Wüste

Bücher zum Thema

Im Fokus: Geowissen - Wie funktioniert unser Planet? Von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

Ein Planet voller Überraschungen - Neue Einblicke in das System Erde von Reinhard F. J. Hüttl (Herausgeber)

Landschaftsformen - Unsere Erde im Wandel - den gestaltenden Kräften auf der Spur von Karsten Schwanke, Nadja Podbregar, Dieter Lohmann und Harald Frater

Landschaften der Erde - unter dem Einfluss des Menschen von Hans-Rudolf Bork

Die Wüsten der Erde - von Michael Martin

Top-Clicks der Woche