Die Integration der Windenergie in Deutschland ist technisch und finanziell machbar. Bis 2015 können 15 Prozent des benötigten Stroms aus Windenergie stammen: Dies sind wichtige Ergebnisse einer neuen Studie, die die Deutsche Energie-Agentur (dena) gestern mit mehrwöchiger Verzögerung vorgelegt hat. Sie zeigt Wege zur Integration der Windenergie in das elektrische Verbundsystem auf.
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Um die Menge des Stroms aus den Windkraftanlagen bis 2015 aufzunehmen, muss das deutsche Stromnetz laut der Studie um 850 Kilometer oder um fünf Prozent seiner derzeitigen Gesamtlänge erweitert werden. Dies bedeutet Investitionen in Höhe von durchschnittlich 100 Millionen Euro pro Jahr. Zum Vergleich: derzeit investieren die Netzbetreiber laut eigenen Angaben bereits Jahr für Jahr das
Zwanzigfache in die Stromnetze.
„Mit diesen zentralen Aussagen der dena-Netzstudie verliert die Schwarzmalerei gegen den Ausbau der Windkraft ihre sachliche Berechtigung“, kommentierte Bundesumweltminister Jürgen Trittin den Abschluss des zähhn Ringens zwischen Vertretern der Windbranche und der Stromnetzbetreibern um die Studie. „Obwohl die Studie unrealistischerweise davon ausgeht, dass das Ausbauziel für die erneuerbaren Energien für 2020 bereits 2015 erreicht sein soll, veranschlagt sie die Kosten für den Zuwachs an Windenergie einschließlich der Regel- und Reserveenergie auf wenig mehr als einen Euro für den Durchschnittshaushalt“.
Zugleich äußerte der Minister aber Verständnis dafür, dass die Windenergie-Branche die Studie inhaltlich nach wie vor kritisiert. Trittin: „Auf Grund der von zwei unabhängigen Sachverständigen festgestellten Mängel sind umfangreiche Nachuntersuchungen erforderlich. Darüber hinaus legt die Studie zu Lasten der erneuerbaren Energien ein Ausbautempo und Entwicklungen der Brennstoffpreise zu Grunde, die in der Realität so nicht eintreten werden.“
Klares Signal für den weiteren Ausbau?
Auch die Umweltorganisation Greenpeace begrüßte die Ergebnisse der Studie. „Die Ergebnisse der Studie sind ein klares Signal für den weiteren Ausbau der Windenergie“, sagte Jörg Feddern, Greenpeace Energieexperte. „Die unsauberen Versuche der großen Energieversorger wie etwa E.on, Vattenfall und Co., die vorab veröffentlichten und aus dem Zusammenhang gerissene Zahlen zu nutzen, um Stimmung gegen die Windenergie zu machen, sind damit hoffentlich
beendet.“
Ein Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion forderte die Bundesregierung dazu auf, die Ergebnisse der dena-Netzstudie zügig umzusetzen. Die Netzintegration der Windenergie sei mit großen Anstrengungen verbunden. Allerdings hätten sich die im Vorfeld der Studie immer wieder verbreiteten Katastrophenszenarien als übertrieben herausgestellt.
Die Netzstabilität und Versorgungssicherheit könnten in Zukunft nur dann aufrechterhalten werden, wenn der Netzausbau mit dem Ausbau der Windenergie Schritt halten könne. Dies sei gegenwärtig nicht gewährleistet, deshalb müsse hier gegen gesteuert werden. Gleichzeitig müssten auch die Betreiber von Windenergieanlagen ihren Beitrag zur Netzstabilität und Versorgungssicherheit leisten.
Die Ergebnisse der Studie im Einzelnen:
Die Studie zeigt nach Angaben der dena, dass das von der Bundesregierung geplante Ziel eines Anteils von mindestens 20 Prozent der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung in Deutschland zwischen 2015 und 2020 erreichbar ist. Voraussetzung dafür ist jedoch die Umsetzung der in der Studie aufgezeigten Maßnahmen in Hinblick auf die Weiterentwicklung des Stromversorgungssystems. Auf dieser Basis werden in der Studie die wichtigsten Fragen beantwortet:
– Rund 400 Kilometer des vorhandenen 380 kV-Verbundnetzes müssen verstärkt, rund 850 Kilometer neu gebaut werden.
– Die Versorgungssicherheit kann bei Realisierung von bestimmten Maßnahmen auf heutigem Niveau gewährleistet werden.
– Je nach Struktur des dann bestehenden Kraftwerksparks können 2015 rund 20 bis 40 Millionen Tonnen CO2-Emissionen vermieden werden.
– Die Mehrkosten für den Ausbau der Windenergie betragen für private Haushalte im Jahr 2015 zwischen 0,39 und 0,49 Cent je kWh.
Verstärkte Windenergienutzung erfordert Netzausbau
Der mit dem Windenergieausbau einhergehende notwendige Ausbau des bestehenden 380 kV-Verbundnetzes ist einerseits in seinem Umfang überschaubar, andererseits jedoch in seiner genehmigungsrechtlichen Durchführung nicht einfach umzusetzen: Bis 2015 muss die bestehende Trassenlänge des deutschen Verbundnetzes um rund fünf Prozent verlängert werden. Rund 400 Kilometer des bestehenden Verbundnetzes müssen verstärkt und rund 850 Kilometer neu gebaut werden. Die Kosten für diesen Netzausbau Jahre betragen insgesamt 1,1 Mrd. Euro. Dieser durch die Windenergie initierte Ausbau steht dann auch dem Stromhandel im liberalisierten EU-Elektrizitätsbinnenmarkt zur Verfügung.
Erhöhte Anforderungen an Regel- und Reserveleistung
Der weitere Ausbau der Windenergie führt zu erhöhten Anforderungen an die Bereitstellung von Regel- und Reserveleistung. Dieser Bedarf wird durch bestehende fossil befeuerte sowie Pumpspeicher-Kraftwerke abgedeckt. Im Zuge des anstehenden Kraftwerkserneuerungszyklus werden altersbedingt stillgelegte Kraftwerke zukünftig stärker als bisher durch Gasturbinenkraftwerke ersetzt. Insgesamt kann der konventionelle Kraftwerkspark des Jahres 2015 im Vergleich zum Jahr 2003 durch Nutzung der Windenergie jedoch um rund 2.200 MW reduziert werden.
CO2-Emissionen stabil
Eine positive Bilanz zieht die Studie bezüglich der CO2-Emissionen: Durch den Ausbau der Windenergie können im Jahr 2015 in Abhängigkeit von der Struktur des gesamten Kraftwerksparks rund 20 bis 40 Millionen Tonnen CO2 vermieden werden. Das heißt, trotz des beginnenden Ausstiegs aus der Kernenergie, der im Jahr 2015 zu einem Drittel vollzogen sein wird, können die CO2-Emissionen je nach Szenario stabilisiert bzw. weiter gesenkt werden.
Mehrkosten durch Windenergie-Ausbau für Stromkunden sowie CO2-Vermeidung liegen vor
Die Kosten für den weiteren Ausbau der Windenergie betragen im Jahr 2015 je nach Szenario zwischen 0,39 und 0,49 Cent je kWh für nicht privilegierte Stromkunden (z.B. private Haushalte). Für privilegierte Stromkunden (Industrie) steigen die Kosten um 0,15 Cent pro kWh. In diesen Kosten enthalten sind die Einspeisevergütung, die Regel- und Reservehaltungskosten und die Kosten für den Netzausbau, abzüglich der vermiedenen Kosten im konventionellen Kraftwerkspark.
Die CO2-Vermeidungskosten durch die Windenergie sinken bis zum Jahr 2015 auf eine Bandbreite zwischen 41 bis 77 Euro pro Tonne CO2. Eine besondere Bedeutung haben in diesem Zusammenhang die Entwicklung der Preise für konventionelle Energieträger (Öl, Gas, Kohle) sowie die weitere Effizienzsteigerung (Kostenreduktion) bei den Windkraftwerken. Insgesamt betragen die Mehrkosten durch den Windenergieausbau im Kraftwerkspark im Jahr 2015 je nach Szenario zwischen 1,6 und 2,3 Mrd. Euro.
(dena, BMU, Greenpeace, CDU/CSU, 25.02.2005 – DLO)