Staub und Sand aus der Wüste Sahara werden mit westlichen Winden über tausende von Kilometern bis nach Südamerika transportiert. Wie Mainzer Wissenschaftler jetzt erstmals festgestellt haben, erreicht der Sahara-Staub nicht nur den brasilianischen Regenwald, sondern gelangt über das feuchte Amazonas-Becken hinweg sogar bis zu den tropischen Regenwäldern Ecuadors.
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„Wir haben in den ecuadorianischen Anden tatsächlich Staubeintrag aus Nordafrika gefunden, und mit diesem Sahara-Staub erhielt der Bergregenwald große Mengen an wichtigen Pflanzennährstoffen“, so Professor Wolfgang Wilcke vom Geographischen Institut der Universität Mainz. „Soweit wir wissen, liefert unsere Untersuchung den ersten direkten Nachweis dafür, dass die Nährstoffversorgung des ecuadorianischen Bergregenwaldes vom Nährstofftransport aus der Sahara beeinflusst wird.“
Entscheidend für den Weiterflug von Staub und damit Nährstoffen bis zu den Anden ist, so ergaben die Studien, eine großklimatische Situation: das El-Nino-Southern-Oscillation-Phänomen. Die Forscher berichten über ihre Ergebnisse im Fachblatt „Nature Geoscience“.
Artenreich, aber wenig erforscht
Tropische Bergregenwälder gehören zu den artenreichsten Ökosystemen der Welt – und sind dennoch vergleichsweise wenig erforscht. Wissenschaftler halten die ecuadorianischen Anden für einen der heißesten „Hotspots“ im Hinblick auf ihre Pflanzenvielfalt, während das Land jedoch gleichzeitig mit einer Jahresrate von vier Prozent die stärkste Abholzung in ganz Südamerika verzeichnet. Um diese wertvolle Tier- und Pflanzenwelt der Bergregenwälder vor dem Aussterben zu schützen, ist es wichtig, die Ökosysteme zu kennen und langfristige Strategien zu ihrer Erhaltung zu entwickeln.
Wenig war bislang darüber bekannt, woher diese Wälder, die oft auf armen, sauren Böden zu finden sind, ihre Nährstoffe erhalten. Die beiden Geographen Jens Boy und Wolfgang Wilcke haben deshalb den Stoffhaushalt der Wälder untersucht und den Nährstoffeintrag aus der Atmosphäre mit dem Staubtransport aus der Sahara verglichen.
700 Millionen Tonnen Staub aus der Sahara
In der Sahara entstehen jedes Jahr 400 bis 700 Millionen Tonnen Staub, das ist die Hälfte der weltweiten Staubproduktion, wie Untersuchungen am Mainzer Institut für Physik der Atmosphäre zeigten. Ein großer Teil davon wird regelmäßig vom Wind bis zu 5.000 Meter hoch in die Atmosphäre getragen und zieht dann über den Atlantik bis in die Karibik oder an die südamerikanische Küste und das Amazonas-Gebiet. Die „Staubwolken“ können dabei enorme Ausmaße annehmen und in Einzelfällen die Größe Spaniens erreichen.
Dass der Sahara-Staub nicht nur Manaus erreicht, sondern über das meist warm-feuchte Amazonas-Becken hinaus in entlegene Gebiete des Amazonas-Waldes und die Bergwälder der Anden transportiert wird, konnten die beiden Mainzer Wissenschaftler jetzt zeigen. „Der Sahara-Staub kann tatsächlich über das sehr nasse Amazonas-Becken fliegen, wenn eine ganz bestimmte großklimatische Situation eintritt, die mit dem El-Nino-Southern-Oscillation-Phänomen einhergeht“, erklärt Wilcke.
La Nina als Helfer
Diese großklimatische Lage tritt im Durchschnitt alle sieben Jahre einmal auf. Während der trockenen El Nino-Phase kommt es in Südamerika häufig zu großen Waldbränden. Auf El Nino folgt im Jahr darauf La Nina. In dieser Phase wechseln sich Starkregenereignisse mit kurzen Trockenphasen ab, lange genug, dass die Staubwolken aus der Sahara bis an die Anden vordringen können, wo der Regen den Staub aus der Atmosphäre in die Wälder einträgt.
Mit dem Staub bringen die Winde Pflanzennährstoffe wie Calcium und Magnesium: Calcium ist als Baustein von Pflanzenzellen und im Pflanzenstoffwechsel von essentieller Bedeutung, Magnesium ist ein grundlegender Bestandteil vieler Enzyme in Pflanzenzellen und des Chlorophylls. Wie die Untersuchungen zeigen, erhalten die Bergregenwälder im südlichen Ecuador eine große Menge Mineralstoffe aus dem nordafrikanischen Staub. Im nordecuadorianischen Bergwald war dieser Eintrag sogar so groß, dass der Mineralstoffhaushalt von Calcium und Magnesium insgesamt verändert wurde.
„Im Falle von Calcium vermuten wir, dass ihm eine signifikante Bedeutung für den Nährstoffhaushalt des Ökosystems zukommt“, so Wilcke. „In einem neuen Experiment versuchen wir gerade durch Nährstoffzufuhr mehr über die Rolle dieses Mineralstoffs und seine Bedeutung herauszufinden.“
Globale Erwärmung könnte für Nahrungsüberschuss sorgen
Während die Sahara so zur Nahrungsgrundlage und Fruchtbarkeit dieser Regenwälder beiträgt, könnte sich der Effekt bei einer Zunahme der weltweiten Erwärmung verändern. Bei einem Temperaturanstieg, so das Szenario, würden die El-Nino-Ereignisse häufiger als bisher auftreten, der Staubeintrag würde steigen und es könnte zu einer Eutrophierung, das heißt einer Überlastung mit Nährstoffen, kommen. Dadurch würden wiederum einzelne Arten bevorzugt. Eine Verarmung der Artenvielfalt wäre möglicherweise die Folge.
(idw – Universität Mainz, 21.05.2008 – DLO)