Überraschende Entdeckung: Forschende haben erstmals einen unterseeischen Salzsee im Golf von Akaba entdeckt – dem schmalen östlichen „Finger“ des Roten Meeres. Dort liegt in 1.770 Meter Tiefe ein 10.000 Quadratmeter großes Becken mit hochkonzentrierter, fast sauerstofffreier Salzlauge. In diesem lebensfeindlichen Milieu leben nur wenige extremophile Bakterien, um den Salzsee herum hat sich jedoch eine Oase des Lebens entwickelt, wie die Wissenschaftler feststellten.
Ob unter polarem Eis, in Wüsten oder vulkanischen Kratern: Salzseen gibt es in vielen Regionen der Erde. Typisch für diese meist eher lebensfeindlichen Gewässer ist ihre stark konzentrierte, oft sauerstoffarme Salzlauge, in der meist nur Extremophile überleben – Mikroorganismen, die speziell an diese Extrembedingungen angepasst sind. Doch solche Salzseen gibt es nicht nur an Land: Auch am Grund einiger Meere haben Forschende inzwischen solche Laugentümpel entdeckt.
Ein See unter dem Meer
Einen weiteren, ungewöhnlichen Vertreter solcher unterseeischen Salztümpel haben nun Sam Purkis von der University of Miami und seine Kollegen entdeckt. Bei einer Kartierung des Meeresgrunds vor der Küste von Saudi-Arabien stieß ihr ferngesteuerter Tauchroboter auf eine auffällige Senke im Golf von Akaba – dem östlichen „Finger“ des Roten Meeres. „Wir hatten Glück, denn die Entdeckung erfolgte in den letzten fünf Minuten der zehnstündigen Tauchzeit“, berichtet Purkis.
In 1.770 Meter Tiefe detektierten die Sensoren des Tauchroboters eine direkt vor dem Küstenhang liegende Vertiefung, deren Wasser sowohl optisch wie chemisch scharf vom restlichen Meerwasser abgegrenzt war. Die Oberfläche dieses unterseeischen Tümpels schimmerte leicht und das Wasser in der Senke erwies sich als extrem sauerstoffarm und mit einer Salinität von 160 PSU als hochgradig salzig. Damit handelte es sich klar um einen marinen Salzsee.
Lauge aus einer Salzschicht im Küstengestein
„Es ist der erste Fund eines solchen Laugentümpels außerhalb des Hauptbeckens des Roten Meeres“, berichtet das Team. Die bisher bekannten Laugentümpel im Roten Meer konzentrierten sich fast alle im zentralen Graben und damit in der durch das Auseinanderweichen der Erdplatten gebildeten Verwerfung. Der neu entdeckte „NEOM“-Salzsee liegt hingegen nur zwei Kilometer von der Küste entfernt und im Akaba-Seitenarm des Roten Meeres.
Das unterseeische Extremgewässer ist 260 Meter lang, 70 Meter breit und nimmt eine Fläche von rund 10.000 Quadratmetern ein. Es liegt in einer Senke, die rund 800 Meter tiefer ist als der Rest des Meeresgrunds im Golf von Akaba. Wie Purkis und seine Kollegen herausfanden, wird der Salzsee von Lauge gespeist, die aus einer unterirdischen Steinsalzschicht der nahen Küste dringt. Oberhalb des Tümpels waren zahlreiche Stellen am Küstenhang zu erkennen, aus denen die schimmernde Salzlauge sickerte, wie sie berichten.
Nutznießer der tödlichen Brühe
Auffallend auch: Der Rand des unterseeischen Laugentümpels ist durch erst grau, dann leuchtend orange gefärbte Ablagerungen gekennzeichnet. Sie entstehen durch artenreiche Bakteriengemeinschaften, die in dieser Grenzzone zwischen Lauge und normalem Meerwasser florieren. Im Tümpel selbst können jedoch nur noch wenige Bakterienarten überleben, die an anaerobe und extrem salzige Bedingungen angepasst sind.
Doch während der Laugentümpel selbst eher lebensfeindlich und kaum besiedelt ist, hat sich rund um dieses Extremgewässer eine überraschend reiche Lebenswelt entwickelt – eine Art Oase am Meeresgrund. Denn viele Meerestiere haben offenbar gelernt, von den versehentlich in die Lauge geratenen und sterbenden Organismen zu profitieren, wie die Forschenden erklären. Dazu gehörten eine Hundshai-Art, mehrere Plattfische und auch Aale.
„Die Aale wurden mehrfach dabei beobachtet, wie sie in die Lauge abtauchten, wahrscheinlich um Tiere zu fangen, die von dem anoxischen Wasser betäubt oder getötet worden waren“, berichten Purkis und seine Kollegen. Auch eine große Zahl von Langhorngarnelen hatte sich am Rand des Laugentümpels angefunden und sammelte von der Lauge getötete Organismen ein.
Modell für Leben auf Mars und Co?
„Solche unterseeischen hypersalinen und sauerstofffreien Laugentümpel sind für die Forscher besonders spannend, denn sie repräsentieren eines der extremsten Habitate der Erde“, konstatieren die Forschenden. Die Bedingungen im Inneren dieses Salzsee könnten sogar denen entsprechen, wie sie beispielsweise auf dem Mars oder auf Exoplaneten herrschen. „Die Entdeckung einer reichen Gemeinschaft von Mikroben, die in einer so extremen Umwelt überleben, kann daher auch bei der Suche nach Leben jenseits unseres Planeten helfen“, so Purkis.
Gleichzeitig illustriert der neuentdeckte Laugentümpel, dass gerade solche eigentlich lebensfeindlichen Habitate für ihr Umfeld zu einer Oase werden könne. „Die chemosynthetischen Aktivitäten der mikrobiellen Gemeinschaft im Tümpel ernähren direkt und indirekt eine reiche Ansammlung von mehrzelligen Tieren wie Fischen, Krebsen und Mollusken“, erklären die Wissenschaftler. (Nature Communications, 2022; doi: 10.1038/s43247-022-00482-x)
Quelle: University of Miami Rosenstiel School of Marine & Atmospheric Science