Das größte Massensterben der Erdgeschichte vor 250 Millionen Jahren könnte durch riesige Salzseen ausgelöst worden sein, deren Emissionen – Halogenkohlenwasserstoffe – schwere Schädigungen der Vegetation und die Zerstörung der Ozonschicht verursachten. Die Folge war ein Verlust der Lebensgrundlagen vieler Arten. Das berichtet ein internationales Wissenschaftlerteam in der aktuellen Ausgabe des russischen Fachjournals „Doklady Akademii Nauk“.
An der Grenze vom Perm- zum Triaszeitalter starben etwa 90 Prozent aller damaligen Tier- und Pflanzenarten aus. Bisher wurden als Ursache dafür Vulkanausbrüche, Meteoriteneinschläge oder Methanhydrate vermutet. Die neue Theorie fußt auf einem Vergleich von biochemischen und atmosphärenchemischen Prozessen damals und heute. „Unsere Berechnungen zeigen, dass die Luftschadstoffe aus großen Salzseen wie dem Zechsteinmeer katastrophale Auswirkungen gehabt haben müssen“, so Ludwig Weißflog vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), einer der Autoren der Studie.
Prognosen sagen eine zunehmende Ausbreitung von Wüsten und Salzseen im Zuge des Klimawandels voraus. Deshalb rechnen die Forscher damit, dass die Auswirkungen dieser Halogenkohlenwasserstoffe ebenfalls zunehmen werden.
Zechsteinmeer als Halogenkohlenwasserstoff-Lieferant
Das Team von Wissenschaftlern aus Russland, Österreich, Südafrika und Deutschland prüfte in seiner neuen Studie, ob ein schon seit Urzeiten auf der Erde ablaufender Prozess möglicherweise zum globalen Massensterben der Arten, speziell am Ende des Permzeitalters, beigetragen hat. Ausgangspunkt dieser Überlegungen war die Entdeckung der Forscher in Südrussland und Südafrika, dass Mikroben in heutigen Salzseen auf natürliche Weise Halogenkohlenwasserstoffe wie Chloroform, Trichlorethan, Trichlorethen und Tetrachlorethen produzieren und in die Atmosphäre emittieren. Sie übertrugen nun diese Erkenntnisse auf das Zechsteinmeer, das sich im Perm-Erdzeitalter vor etwa 250 Millionen Jahren auf dem Gebiet des heutigen Europas gebildet hatte.
Das Zechsteinmeer war mit rund 600.000 Quadratkilometern fast so groß wie das heutige Frankreich. Das stark salzhaltige Flachwassermeer war damals heißem Wüstenklima und intensiver Sonneneinstrahlung ausgesetzt – wie die heutigen Salzseen auch. „Wir nehmen daher an, dass die klimatischen, geochemischen und mikrobiologischen Bedingungen im Bereich des Zechsteinmeeres mit den von uns untersuchten Salzseen der Jetztzeit vergleichbar sind“, erklärt Weißflog.
CO2-Kreislauf gestern und heute
In „Doklady Akademii Nauk“ erläutern die Wissenschaftler Gemeinsamkeiten zwischen komplexen Prozessen des CO2-Kreislaufes im Perm-Zeitalter sowie der damaligen und jetzigen Klimaerwärmung. Auf der Basis vergleichender Kalkulationen von Halogenkohlenwasserstoff-Emissionen aus heutigen südrussischen Salzseen in die Atmosphäre berechneten die Forscher, dass allein für das Zechsteinmeer mit einer jährlichen Emissionsrate von mindestens 1,3 Millionen Tonnen Trichlorethen, 1,3 Millionen Tonnen Tetrachlorethen, 1,1 Millionen Tonnen Chloroform sowie 0,050 Millionen Tonnen Trichlorethan in die Atmosphäre auszugehen ist.
Vergleichsweise beträgt die jährliche globale industrielle Produktionsmenge von Trichlorethen und Tetrachlorethen jeweils nur etwa 20 Prozent, von Chloroform sogar nur etwa fünf Prozent der von den Wissenschaftlern für das Zechsteinmeer errechneten Emissionen. Die industrielle Produktion des Methylchloroform, das die stratosphärische Ozonschicht besonders schädigt, ist seit 1987 durch das Abkommen von Montreal verboten.
„Anhand von Steppenpflanzen konnte wir in der Vergangenheit nachweisen, dass Halogenkohlenwasserstoffe zur beschleunigten Ausbreitung von Wüsten Beitragen“, berichtet Karsten Kotte von der Universität Heidelberg. „Die Kombination aus Trockenstress und dem gleichzeitig wirkenden chemischen Stressor ‚Halogenkohlenwasserstoff‘ schädigt die Pflanze überproportional, was zu verstärkten Erosionsprozessen führt.“
Aus beiden Erkenntnissen bildeten die Forscher ihre neue These. Danach waren am Ende des Perms die aus dem Zechstein-Meer und anderen Salzseen emittierten Mengen an Halogenkohlenwasserstoffen in einer komplizierten Wirkungskette für das weltweit größte bisher bekannten Massensterben verantwortlich, bei dem circa 90 Prozent der an Land lebenden Tier- und Pflanzenarten ausstarben.
Bald mehr Halogenkohlenwasserstoffe?
Laut Prognose des Weltklimarates IPCC wird der derzeitige Klimawandel durch ansteigende Temperaturen und Trockenheiten auch zu einer Beschleunigung der Wüstenausbreitung führen. Salzseen, Salzlagunen und salzhaltige Marschen werden in Anzahl und Fläche zunehmen, was wiederum zum Anstieg natürlich gebildeter Halogenkohlenwasserstoffe führen wird.
Die phytotoxischen Effekte dieser Substanzen werden sich nach Angaben der Forscher in Verbindung mit weiteren atmosphärischen Schadstoffen und gleichzeitig zunehmender Trockenheit gegenseitig verstärken und so die ökotoxikologischen Folgen des Klimawandels potenzieren.
Die neue Theorie könnte ein Puzzlestück sein, das dazu beiträgt, das Rätsel um das größte Massensterben der Erdgeschichte zu lösen. „Ob die Halogenkohlenwasserstoffe aus den Salzseen dafür allein verantwortlich sind oder ob es eine Kombination verschiedener Faktoren war und Vulkanausbrüche, Meteoriteneinschläge oder Methanhydrate ebenfalls eine Rolle spielten, bleibt offen“, so Weißflog. Fest steht aber, dass die Auswirkungen von Salzseen bisher unterschätzt wurden.
Salzseen beeinflussen das globale Klima
Mit ihrer Studie wollen die Forscher darauf hinweisen, dass heutige Salzseen und Salzwüsten in Südost-Europa, Mittelasien, Australien, Afrika, Amerika nicht nur das regionale sondern auch das globale Klima beeinflussen können. Die neuen Erkenntnisse zur Wirkung der Halogenkohlenwasserstoffe sind wichtig für die Überarbeitung der Klimamodelle, die die Basis für die Klimaprognosen bilden.
(idw – Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ, 31.03.2009 – DLO)