Vermessung aus dem Orbit: Ein Luxus-Wolkenkratzer in San Francisco sinkt pro Jahr um mehrere Zentimeter ab. Gleichzeitig neigt sich der 58 Stockwerke hohe Millennium Tower leicht zur Seite. Das belegen nun Radar-Messungen mit Hilfe der Sentinel-1 Zwillingssatelliten der ESA. Sie sollen nun auch in Europa und anderen Teilen der Welt Hebungen und Senkungen von Untergrund und Gebäuden ermitteln.
Viele Küstenstädte der Erde sind auf doppelte Weise bedroht: Zum einen lässt der Klimawandel die Meeresspiegel ansteigen und verstärkt damit die Hochwassergefahr. Zum anderen aber senkt sich in vielen Gebieten der Untergrund. Ursache dafür ist neben geologischen Prozessen oft eine vermehrte Entnahme von Grundwasser – der Grundwasserspiegel sinkt und die darüber liegenden Erdschichten sacken nach.
Schiefer Turm
Wenn allerdings nur einzelne Gebäude absinken, dann ist oft Pfusch am Bau im Spiel. In diesem Verdacht steht auch der erst 2009 fertiggestellten Millennium Tower in San Francisco. Der 58-stöckige Wolkenkratzer enthält Millionen US-Dollar teure Luxus-Appartements und sogar einen eigenen Swimming-Pool für die Bewohner. Doch schon seit einiger Zeit mehren sich die Hinweise darauf, dass das Hochhaus absinkt.
Um bis zu 40 Zentimeter soll sich das Gebäude seit Bauende gesenkt haben – und dies noch dazu ungleichmäßig. Als Folge neigt sich der 200 Meter hohe Millennium Tower immer mehr nach Nordwesten. Inzwischen klagen Wohnungseigentümer und die Stadt San Francisco bereits gegen den Bauträger. Entscheidend dafür aber war die Frage, ob diese Senkung tatsächlich allein dieses Gebäude betrifft und daher wahrscheinlich auf Baumängel zurückgeht oder ob sie möglicherweise auch im Gebiet drumherum messbar ist.
Fünf Zentimeter pro Jahr
Um diese Frage zu klären, haben Forscher nun die Sentinel-1-Satelliten der ESA genutzt, um die Bewegungen des Millennium Tower und anderer Gebiete in San Francisco zu überprüfen. Dafür verglichen sie Radardaten, die die Zwillingssatelliten zwischen Februar 2015 und September 2016 gesammelt hatten. Die eingesetzten Radarinstrumente sind so sensibel, dass sie selbst Bewegungen im Millimeterbereich registrieren.
Das Ergebnis: Der Millennium Tower sinkt tatsächlich – und dies ziemlich stetig. Aus den Radardaten ermittelten die Forscher eine Sinkrate von fast fünf Zentimetern pro Jahr. Die Gebäude um den Wolkenkratzer herum blieben dagegen im Messzeitraum weitgehend stabil, der Untergrund hat sich ansonsten kaum bewegt. Das spricht dafür, dass nicht geologische Prozesse, sondern Baumängel der Grund für das Absacken sind.
Fundament-Fehler oder U-Bahn-Bau?
Die Ursache für das Absinken des Millennium Tower liegt vermutlich in seinem Fundament: Die massive Betonkonstruktion mit Querverstrebungen reicht zwar 30 Meter weit in die Tiefe, ist damit aber nicht tief genug, um direkt auf dem Grundgestein aufzusetzen. Die stabile Felsschicht beginnt erst in rund 60 Metern Tiefe. Experten vermuten daher, dass das enorme Gewicht des Gebäudes die zwischenliegende Bodenschicht zusammenpresst.
Demgegenüber sehen die Bauherren des Millennium Towers die Schuld bei der Stadt: Sie habe durch den Bau einer U-Bahn-Station in der näheren Umgebung den Untergrund destabilisiert. Weil für den U-Bahn-Bau Grundwasser abgepumpt wurde, sinke nun der Boden ab, heißt es in einem Statement. Wer Recht hat, sollen nun Probebohrungen und Tests durch Ingenieure klären. Bis dahin bleibt den Bewohnern die Sorge, was mit dem instabilen Wolkenkratzer bei einem Erdbeben passiert.
(ESA, 01.12.2016 – NPO)