Als der Supersturm Sandy im vergangenen Oktober über New York hereinbrach, brachte dies nicht nur zerstörerische Winde und Wasserfluten mit sich. Auch die Erde selbst erzitterte unter der Wucht von Wind und Wellen. Auf fast dem gesamten Gebiet der USA registrierte ein Netzwerk von Seismometern während des Sturms ein deutlich anschwellendes Bebensignal, wie US-Forscher beim Jahrestreffen der Seismological Society of America in Salt Lake City berichten. Der Weg des Sturmes ließ sich so allein anhand seiner seismischen Auswirkungen erstaunlich genau nachvollziehen. Diese Erkenntnis könnte nach Ansicht der Forscher auch bei der Überwachung künftiger Stürme helfen.
Das von Kalifornien bis an die Ostküste der USA reichende Netzwerk „Earthscope“ besteht aus rund 500 mobilen Seismometern – Messgeräten, die die horizontalen und vertikalen Schwingungen des Untergrunds registrieren und aufzeichnen. Im Gegensatz zu vielen anderen seismologischen Messnetzen dienen sie jedoch nicht primär der Überwachung von Erdbeben, sondern der geologischen Forschung. Denn die sensiblen Instrumente sollen das Echo ferner Beben sichtbar machen – die Wellen, die sich von fernen Regionen aus durch den Erdmantel ausbreiten und dann unter Nordamerika wieder an die Oberfläche kommen. Ähnlich wie eine Computertomografie das Innere des menschlichen Körpers sichtbar macht, sollen die Reflektionen und Störungen der Bebenwellen Aufschluss über die Struktur der Gesteinsschichten im Erdmantel geben.
Ausschlag wie bei einem Beben der Magnitude 2-3
Als Teil dieser Untersuchungen waren die Seismometer von Earthscope auch in der Zeit vom 18. Oktober bis zum 3. November 2012 auf Empfang geschaltet – zu der Zeit, als sich der Hurrikan Sandy entlang der Ostküste der USA nach Norden bewegte. Die Instrumente registrierten währenddessen eine ganze Serie von kleinen Erschütterungen, sogenannten Mikroseismen. „Anhand dieser Wellen konnten wir nachverfolgen, wie sich der Hurrikan bewegte“, berichtet Oner Sufri, Geologe an der University of Utah. Vor allem als der Sturm nach West-Nordwest drehte und auf New York zusteuerte, seien die Seismometerausschläge intensiver geworden. Die registrierten Erschütterungen entsprachen dabei in etwa denen eines Erdbebens der Magnitude 2 bis 3.
„Vielen ist nicht klar, dass seismische Wellen nicht nur durch Erdbeben, sondern auch durch eine ganze Reihe anderer Faktoren verursacht werden können“, sagt Sufri. So können Sprengungen, der Einsturz einer Mine beim Bergbau, selbst Verkehr oder Bautätigkeiten den Untergrund in Schwingungen versetzen, die von sensiblen Messgeräten noch Kilometer weit entfernt registriert werden. Auch der Meteorit, der am 15. Februar 2013 über dem russischen Tscheljabinsk explodierte, erzeugte sich schnell ausbreitende Stoßwellen. Im Gegensatz zu solchen eher kurzzeitigen Ereignissen hinterlasse ein Sturm wie Sandy aber eine andere, weitaus langanhaltendere Signatur in den seismischen Aufzeichnungen, erklärt Sufri. Ein Sturm könne seine Energie über viele Stunden hinweg abgeben.
Stehende Wellen bringen Untergrund zum Schwingen
Wie die Forscher berichten, wurden die Erschütterungen des Untergrunds bei Sandy aber nicht vom Wind selbst verursacht, sondern von den Wellen, die der Hurrikan erzeugte. Normale Meereswellen reichen nicht sehr tief ins Wasser hinab, schon wenige Meter unter der Oberfläche ist von ihnen meist kaum mehr etwas zu spüren. Anders bei einem Sturm wie Sandy: Dann kollidieren Wellen miteinander und schaukeln sich soweit auf, dass sogenannte stehende Wellen entstehen. „Der Druck von solchen stehenden Wellen ist auch noch am Meeresboden hoch und überträgt sich dort in den Untergrund“, erklärt Keith Koper, Leiter der Seismografenstationen der University of Utah.
Besonders viele und starke Wellen dieses Typs seien entstanden, als Sandy seine Zugbahn änderte und nach Westen auf das Land zu einschwenkte. „Die Windgeschwindigkeiten erhöhten sich dabei zwar nicht, aber die Wellen-Interaktionen verstärkten sich und es wurde deutlich mehr seismische Energie erzeugt“, sagt Koper. Und nicht nur das, auch die Frequenz der Wellen änderte sich mit Sandys Richtungsänderung: „Die Perioden wurden länger und damit gab es sozusagen weniger Höhen und mehr Bässe im seismischen Signal“, so der Seismologe. Für ihn und seine Kollegen kamen diese Signale wie gerufen – denn mit ihrer Hilfe können sie nun weitere Erkenntnisse über die Untergrundstruktur unter dem nordamerikanischen Kontinent gewinnen.
Aber auch bei der Überwachung von Stürmen könnten Netzwerke wie das Earthscope zukünftig wertvolle Hilfe leisten. Bei Sandy stießen die Forscher zwar erst im Nachhinein auf die verräterischen Signale des Sturms. Ihrer Ansicht nach könnten Seismometer wie die ihren in Zukunft durchaus auch in Echtzeit dabei helfen, die Bahn und Energie eines Sturms genauer zu ermitteln. Denn die Erschütterungen könnten Informationen liefern, die den Wettersatelliten entgehen.
(Seismological Society of America, 19.04.2013 – NPO)