Geowissen

Santorini: Meeresspiegel beeinflusst Ausbrüche

Sinkende Pegel lösen Magmaaufstieg und Eruptionen des Santorini-Vulkans aus

Santorini
Die Klippen von Santorini haben Ablagerungen zahlreicher vergangener Ausbrüche des Santorini-Vulkans konserviert. © Ralf Gertisser/ Keele University

Kein Zufall: Geologen haben einen zuvor unerkannten Auslöser für die Ausbrüche des Santorini-Vulkans in der Ägäis identifiziert: den Meeresspiegel. Sobald dieser mehr als 40 Meter absinkt, folgt wenig später eine Eruption. 208 der 211 vergangenen Ausbrüche lassen sich auf solche Phasen zurückführen, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichten. Ursache dafür ist die vermehre Bildung von Brüchen im Dach der Magmakammer, wenn die Auflast sinkt. Ähnliches könnte auch bei anderen Inselvulkanen weltweit der Fall sein.

Der Vulkanausbruch von Santorini war eine der größten Katastrophen der europäischen Bronzezeit. Die explosive Eruption um 1600 vor Christus zerriss die griechische Insel Thera und überzog das östliche Mittelmeer mit Asche und Rauch. Der Einbruch der Caldera löste einen Tsunami aus, der wahrscheinlich zum Ende der Minoer beitrug – der ersten Hochkultur Europas. Einige sehen in dieser Katastrophe sogar den Ursprung der Atlantis-Legende.

Santorini
Vor 3.600 Jahren sprengte ein gewaltiger Vulkanausbruch die Insel Thera auseinander und ließ die Caldera des Santorini-Vulkans einbrechen. Übrig blieb die sichelförmige Insel Santorini.© Borchee/ Getty images

Doch der große Bronzezeit-Ausbruch war nicht der erste oder letzte des Santorini-Vulkans: Die an den Steilküsten der Ägäisinsel zutage tretenden Ablagerungen verraten, dass der Vulkan wechselnde Zyklen von Aktivität und Ruhe durchmacht. „An den Calderawänden sind Ablagerungen von zwölf großen plinianischen Eruptionen ablesbar, aber auch von vielen kleineren Explosionen und Lavaausbrüchen“, berichten Christopher Satow von der Oxford Brookes University und seine Kollegen. Dazwischen liegen längere Phasen der Ruhe.

Was kontrolliert die Ausbruchsphasen?

„Welche Faktoren den Beginn und das Ende von eruptiven und inaktiven Phasen kontrollieren, war jedoch bislang unklar“, so die Gelogen. Auf der Suche nach Antworten, haben sie einen der möglichen Auslöser nun näher untersucht: den Meeresspiegel. Er verändert sich vor allem durch das Wachsen und Schrumpfen der großen Eismassen unseres Planeten und sinkt dadurch in Kaltzeiten deutlich ab, während er in Warmzeiten ansteigt.

Solche Pegelschwankungen beeinflussen nicht nur die Küstenregionen, sie verändern auch den auf der ozeanischen Erdkruste lastenden Druck. Sinken die Pegel, sinkt der Druck und die Spannungsverhältnisse im Untergrundgestein ändern sich. „Der Mechanismus ist ziemlich simpel: Fallende Meeresspiegel verringern die auf der Kruste lastende Masse und die Kruste bricht. Diese Brüche erlauben es dem Magma aufzusteigen und Eruptionen zu speisen“, erklärt Satow.

40 Meter Meeresspiegelsenkung als kritische Schwelle

Um herauszufinden, ob das auch beim Santorini-Vulkan der Fall war, haben die Forschenden die Vorgänge im Untergrund zunächst in einem Modell der in rund vier Kilometer Tiefe liegenden Magmakammer und der darüberliegenden Erdkruste nachvollzogen. „Wir haben die vertikale Belastung in Schritten von 0,1 Megapascal verringert – dies entspricht Meeresspiegel-Absenkungen von jeweils zehn Metern“, so das Team.

Es zeigte sich: Wenn der Meeresspiegel um rund 40 Meter sinkt, steigen die Spannungen im Dach der Magmakammer so stark an, dass erste Brüche entstehen. Sinken die Pegel dann weiter, breiten sich diese Risse bis an die Oberfläche aus. Im Schnitt kommt es dann rund 12.800 Jahre nach dem Unterschreiten der minus 40-Meter-Schwelle zu einer Eruption des Santorini-Vulkans, wie Satow und sein Team ermittelten.

Pegelabfall triggerte 208 von 211 Eruptionen

Tatsächlich ergab ein Vergleich der Santorini-Ablagerungen mit den Meeresspiegelwerten der letzten 224.000 Jahre: 208 der 211 vulkanischen Eruptionen des Ägäis-Vulkans ereigneten sich nach einem Pegelabfall des Mittelmeeres um mehr als 40 Meter. Nur zwei größere plinianische Ausbrüche fanden außerhalb einer solchen Phase des Meerestiefstands statt. In den noch älteren Ablagerungen scheint sich dieses Muster sogar ohne Ausnahmen fortzusetzen, wie das Team berichtet.

„Dieser Vergleich der Eruptionsgeschichte mit der Meeresspiegel-Entwicklung zeigt uns zum ersten Mal, dass der Meeresspiegel eine wichtige Rolle für die Ausbrüche des Santorini-Vulkans spielt“, sagt Satow. Das Wechsel von aktiven und inaktiven Phasen dieses Vulkans wird demnach in großem Maße auch von den Pegelschwankungen des Mittelmeers bestimmt. Sind die Pegel hoch, ruht der Vulkan, weil die höhere Auflast die Rissbildung im Untergrund unterdrückt. Sinken die Pegel dagegen mehr als 40 Meter, wird die Kruste über der Magmakammer instabil.

Auch andere Inselvulkane betroffen

Nach Ansicht des Forschungsteams ist Santorini aber nicht der einzige Vulkan, für den dieser Zusammenhang gilt. Auch viele andere Inselvulkane könnten vom Meeresspiegel beeinflusst sein. „57 Prozent der Vulkane auf der Erde liegen an den Küsten – oft in dicht bevölkerten Gebieten“, so Satow. „Um zu verstehen, welche Effekte die sich verändernden Meeresspiegel auf diese Vulkane haben und welches Risiko dies für die Anwohner darstellt, müssen wir dies weiter erforschen.“

Für Santorini geben die Forschenden aber erst einmal Entwarnung: Der Vulkan hat wahrscheinlich gerade eine neue Ruhephase begonnen. „Seit der Eruption von Nea Kameni im Jahr 1950 und nachdem ein Magmaeinstrom in die Magmakammer in der Zeit von 2011 bis 2012 keine Eruption nach sich zog, deutet alles darauf hin, dass der Vulkan in eine Ruheperiode eingetreten ist“, so das Team. (Nature Geoscience, 2021; doi: 10.1038/s41561-021-00783-4)

Quelle: Oxford Brookes University

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