Einen genaueren Blick auf die Luftverschmutzung durch die größten Millionenstädte der Erde können zukünftig Satellitenmessungen liefern. Forscher haben eine Methode entwickelt, mit der sich dieser „atmosphärische Fußabdruck“ der Megacities genauer bestimmen lässt als bisher. Man könne nun sowohl die Konzentration der freigesetzten Stickoxide als auch deren Lebensdauer aus dem All messen, berichten die Forscher im Fachmagazin „Science“. Bisher habe man die Lebensdauer der Abgase nur direkt am Boden bestimmen können. Vor allen in den Entwicklungsländern fehlten dafür jedoch meist die Messstationen. Erst jetzt lässt sich der genaue Schadstoffausstoß für diese Ballungsräume auch aus dem Orbit ermitteln.
In Großstädten entweichen große Mengen an Schadstoffen in die Atmosphäre. So entstehen besonders im Straßenverkehr täglich tausende Tonnen an Stickoxiden, die in vielen Ländern noch ungefiltert in die Luft strömen. Diese Gase können die Atemwege reizen und gelten in hohen Konzentrationen als giftig. Die genaue Messung dieser Schadstoffe und ihrer Verteilung sei wichtig, weil Stickoxide nicht nur in den Städten selbst Gesundheit und Umwelt schädigen, sagen die Wissenschaftler. Die mit dem Wind verteilten Gase förderten auch in weiter entfernten Regionen Sommersmog, sauren Regen und die Bildung von Schwebstoffen in der Atmosphäre.
Bislang wurden die freigesetzten Schadstoffe indirekt über Hochrechnungen und Computersimulationen von Verkehr und Energieverbrauch der jeweiligen Staaten geschätzt. Während in vielen Städten der Industrieländer Messstationen den Ausstoß von Luftschadstoffen vor Ort messen, existieren diese in anderen Gegenden der Erde meist nicht. Die geschätzten Emissionswerte waren daher vor allem für die Megacities der Schwellen- und Entwicklungsländer oft sehr ungenau.
Stickoxid-Fahne von Riad als Beispiel
Mithilfe des Satelliteninstruments OMI und Wetterdaten könnten sie nun präziser ermitteln, wie hoch die Emissionen im Schnitt wirklich sind, sagen die Forscher. Um ihre Methode zu eichen, wählten die Forscher Riad, die Hauptstadt Saudi-Arabiens. Der rund sieben Millionen Einwohner umfassende Ballungsraum sei aus mehreren Gründen besonders gut für die Studie geeignet, sagen die Wissenschaftler. So sei die Abgassäule besonders groß und dicht, der Kontrast zum nahezu unbewohnten Umland mache sie gut erkennbar. Und es gebe im Umkreis von 200 Kilometern keinen andere Quelle von Stickoxiden, die die Messungen erschweren könnten.
„Unsere Methode der Emissionsbestimmung von Stickoxiden ist unabhängig von bisherigen Verfahren und kann weltweit auf Megastädte angewandt werden“, sagt Steffen Beirle vom Max-Planck-Institut für Chemie und Erstautor der Studie. Sie ermögliche es, die Menge und Reichweite der Stickoxide zu erfassen und so auch Modelle der klimatischen und atmosphärischen Prozesse zu verbessern. Die Daten könnten aber auch dabei helfen, Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung besser an die lokalen Gegebenheiten anzupassen.
Lebensdauer der Stickoxide in allen Windrichtungen
Für jede Windrichtung habe man aus den Satellitendaten eine Dichteverteilung der Stickoxide ermittelt, sagen die Wissenschaftler. Mit wachsender Entfernung zur Stadt nehme die Gasdichte dabei exponentiell ab. Mit einem mathematischen Modell konnten die Forscher dann berechnen, wie lange die Stickoxide in der Abgasfahne erhalten blieben, bevor sie zu anderen Verbindungen umgewandelt wurden. Tagsüber läge die Lebensdauer der Stickoxide im Bereich zwischen 2,3 und 6,4 Stunden, sagen die Chemiker. Das sei eine gute Übereinstimmung mit Werten von Messnetzen am Boden. Anhand dieser Daten habe man dann schließlich die tatsächlichen Emissionen in Riad bestimmt.
„Das essenzielle an unserem Ansatz ist, dass die mittlere Stickoxidverteilung getrennt für verschiedene Windrichtungen ermittelt wird“, schreiben die Forscher. Durch diese Trennung vermeide man Verfälschungen, wie sie bei Abschätzungen mit Hilfe atmosphärischer Modelle aufträten. Der neue Ansatz, den Schadstoff-Ausstoß einer Stadt zu messen, sei nicht nur in Riad sondern für Emissionsquellen weltweit nutzbar, sagen die Wissenschaftler. (Science, 2011; DOI:10.1126/science.1207824)
(Max-Planck-Gesellschaft, 26.09.2011 – NPO)