Mikrobiologie

Saure Seen: Mikroben als Anpassungskünstler

Forscher enthüllen Anpassungsstrategien auf genetischer und physiologischer Ebene

Mondsee © Ond&

Mikroben in sauren Seen stellen sich im Laufe der Zeit perfekt auf ihren Lebensraum ein – sowohl genetisch als auch physiologisch. Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie österreichischer Forscher, die die Anpassungsprozesse der Mikroorganismen unter anderem im Mondsee im Bundesland Oberösterreich untersuchten.

Thomas Weisse vom Institut für Limnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und sein Team verglichen saure und geflutete Seen in Niederösterreich und in der Lausitz in Ostdeutschland hinsichtlich Temperatur, Lichteinstrahlung und Chemismus auf ihre planktontischen Bewohner. Es handelt sich dabei um so genannte „Tagebaurestseen“, Gruben, die sich nach Ende von Braunkohleförderung im Laufe einiger Jahrzehnte mit Grundwasser füllten.

Sauer wurden sie, weil das ebenfalls zu Tage kommende Mineral Pyrit von Bakterien zu Eisen, Sulfat und Säure abgebaut wird. Die rötlich gefärbten Seen sind fast so sauer wie Essig – pH 2,5 – und für Fische oder auch Wasserflöhe, bereits zu sauer. „Da diese Seen in ihrer Entstehungsgeschichte und in ihrer geringen Komplexität sehr gut dokumentiert sind, nutzen wir sie als Modellsystem für unsere Untersuchungen“, erklärt Weisse.

Mikroevolution auf der Spur

Die Limnologen konnten nachweisen, dass sich einmal angesiedelte Mikroorganismen im Lauf der Zeit sowohl genetisch als auch physiologisch an ihren speziellen Lebensraum anpassen. „Es findet eine signifikante Wechselwirkung zwischen den Organismen und ihren Lebensräumen statt, die entscheidend ist. Denn weder die Eigenschaften des Habitats, noch eine starre genetische Ausstattung der Mikroorganismen würden eine erfolgreiche Besiedelung ökologischer Nischen allein erklären“, sagt Weisse.

Die Hypothese, dass Populationen weit verbreiteter Mikroorganismen in ähnlich sauren Habitaten praktisch identisch sind, dass sozusagen nur der Lebensraum selektiert, wurde dadurch widerlegt. „Hier passiert Mikroevolution. Und diese Erkenntnis ist von allgemeiner ökologischer Bedeutung“, so Weisse.

Seen zufällig besiedelt

Trotz der ähnlichen Entstehungsgeschichte unterscheiden sich die Tagebaurestseen in Niederösterreich und Ostdeutschland hinsichtlich ihrer Planktonorganismen deutlich. Welche Mikroben herantransportiert werden, ist den Forschern zufolge eher zufällig. Die räumlichen Charakteristika der einzelnen Seen, wie Windexposition oder Ufergestaltung, haben auf den passiven Erstkontakt jedoch einen Einfluss. Und welche Organismen in dem jeweiligen Lebensraum dauerhaft erfolgreich sind, wird vom einzelnen See mitgeprägt.

Zur Überprüfung dieser Hypothese haben die Wissenschaftler Wasserproben genommen und die darin vorkommenden Organismen unter verschiedenen Bedingungen – Säurewerte, Temperatur und Nahrungsangebot wurden systematisch variiert – im Labor kultiviert und sowohl genetisch als auch hinsichtlich ihres Stoffwechsels verglichen.

Temperatur und Nahrungsangebot müssen stimmen

Die Forscher konnten dabei nachweisen, dass das Plankton der sauren Seen nur unter extrem sauren Bedingungen einen Konkurrenzvorteil hat. Darüberhinaus haben sie erstmals die kombinierte Wirkung von Temperatur und pH-Wert bei unterschiedlichem Nahrungsangebot für Seenplankton untersucht. Diese drei Umweltfaktoren charakterisieren zusammen die tatsächlich bewohnte Nische im Ökosystem See. „Wenn Temperatur und Nahrungsangebot nicht optimal sind, schränkt sich für die Organismen der Säurebereich ein, den sie gut verkraften“, fasst Weisse die Ergebnisse zusammen.

(Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), 12.07.2011 – DLO)

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