Auf einem Hochplateau in Saudi Arabien haben Paläontologen den Schädel eines frühen Primaten entdeckt, der ein Bindeglied zwischen Affen und der Linie der Menschenaffen und Hominiden bildet. Der jetzt in „Nature“ beschriebene Fund ist rund 29 Millionen Jahre alt und besitzt Merkmale beider Linien. Damit liefert er einzigartige Informationen über Evolution und Aussehen der letzten gemeinsamen Vorfahren beider Primatengruppen.
Eigentlich war der Paläontologe Iyad Zalmout von der Universität von Michigan auf der Suche nach Fossilien von urzeitlichen Walen und Dinosauriern, als er das rostfarbene Hochplateau oberhalb von Mekka in Saudi Arabien durchforstete. Zunächst ohne großen Erfolg, alle Fossilien, die er fand, stammten nicht aus der Kreidezeit sondern waren mehrere Millionen Jahre zu jung. Was er dann entdeckte, war zwar auch jünger – aber dafür sensationell.
„Ich sah Zähne aus dem Boden ragen und als ich erkannte, um was es sich handelte, war ich geschockt“, erzählt Zalmout. „Ich hatte zuvor an terrestrischen Säugetieren im Bighorn Becken gearbeitet und mein erster Blick auf die Größe und Form dieser Zähne sagte mir, dass ich einen primitiven Primaten entdeckt hatte.“ Weitere Ausgrabungen enthüllten einen nahezu vollständigen Schädel. Der Forscher schickte eine E-Mail mit einem Foto seines Funds an seinen Kollegen Philip Gingerich, einen Experten für frühe Primaten und Direktor am Museum für Paläontologie der Universität von Michigan.
Letzter gemeinsamer Vorfahre
„Ich wusste gleich, was es war und war begeistert“, so Gingerich. Noch als Student war er an einer Studie an Aegyptopithecus beteiligt gewesen, einem Vertreter der Catarrhinen, einer Primatengruppe, die als gemeinsame Basis für die Stammeslinie der heutigen Affen und für die der Menschenaffen und Menschen gilt. Bisher bekannte Vertreter dieser Gruppe stammen aus der Zeit vom späten Eozän bis zum frühen Oligozän vor 30 bis 35 Millionen Jahren. Die Spaltung der beiden Hauptlinien der Primaten muss sich irgendwann danach ereignet haben. Wann genau, ist bisher jedoch nicht bekannt – genauso wenig wie das Aussehen und die Merkmale der letzten gemeinsamen Vorfahren beider Gruppen. Denn ausgerechnet aus der entscheidenden Phase, der Zeit von vor 30 bis 23 Millionen Jahren, gibt es kaum Fossilfunde.
Schädel schließt Fossillücke
Doch genau das entscheidende Bindeglied könnte das neue, Saadanius hijazensis getaufte Fossil aus Saudi Arabien nun geliefert haben. Denn dem auf ein Alter von 28 bis 29 Millionen Jahren datierten Schädel fehlen Merkmale, die typisch sind für moderne Affen nach der Abspaltung der Menschenaffen. Stattdessen besitzt er ein wenig von beiden. „Es zeigt sich, dass es kein Menschenaffe ist, aber auch kein moderner Affe – es ist etwas dazwischen“, erklärt Zalmout.
So besitzt Saadanius einen Mittelohrknochen, der nicht mehr ringförmig ist, wie noch in Aegyptopithecus, sondern röhrenförmig ausgezogen wie in modernen Altweltaffen. Andererseits fehlt ihm jedoch noch die komplexe Ausgestaltung der Nebenhöhlen wie bei diesen. Auch die Form und Position der Augenhöhlen und Zähne erweisen sich als Zwischenstadium. „Das verrät uns, dass Saadanius vermutlich eng verwandt ist mit Catarrhinen, die direkt an der Basis der Affen-Menschenaffen-Abspaltung standen“, erklärt Laura MacLatchy, Professorin für Anthropologie an der Universität von Michigan.
Schnauze oder Rundgesicht?
Der fossile Schädel könnt auch dazu beitragen, eine seit langem herrschende Debatte über das Aussehen der letzten gemeinsamen Vorfahren von Affen und Menschenaffen zu schlichten. Ein Teil der Wissenschaftler ist der Ansicht, dass diese ein Gesicht ähnlich dem der modernen Gibbons besaßen: eher rund, mit kurzer Nase. Andere jedoch vertreten die Meinung, dass der Vorfahre eher dem Pavian glich: mit langer, ausgeprägter Schnauze. Jetzt zeigt sich, dass Saadanius ebenfalls eine Schnauze besaß und damit eher die zweite These stützt.
Film über das Fossil und seine Entdeckung
(University of Michigan / Nature, 15.07.2010 – NPO)