Mit Meeresschildkröten-Tourismus lässt sich nach neuesten Berechnungen des WWF fast dreimal mehr Geld verdienen als durch den Handel mit Schildpatt, Schildkrötenfleisch und -eiern. In einer Studie zum ökonomischen Wert der Panzertiere, die der WWF am Dienstag in der Schweiz vorgestellt hat, rechnen die Umweltschützer außerdem vor, dass durch das weltweite Schrumpfen ihrer Bestände auch touristische Angebote und Arbeitsplätze in vielen Entwicklungsländern gefährdet sind.
Die Autoren vergleichen den Gewinn, der sich mit Schildkrötenprodukten erzielen lässt, mit den Einnahmen durch Beobachtungstouren zu Wasser und zu Lande in Gebiete, in denen Meeresschildkröten vorkommen. „Wo Meeresschildkröten leben, klingeln die Kassen“, fasst Stefan Ziegler, Artenschutzexperte des WWF, die Ergebnisse der Studie zusammen.
Der WWF hat errechnet, wieviel man verdienen kann, wenn man Schildkröten leben lässt: In neun Gebieten, in denen die Tiere wegen ihres Fleisches und ihres Panzers gejagt und in denen ihre Gelege geplündert werden, verdient die Bevölkerung im Jahr durchschnittlich nur 582.000 US-Dollar an den tierischen Mitbewohnern. In neun anderen Gebieten, in denen die imposanten Reptilien als Touristenattraktion genutzt werden, liegen die durchschnittlichen Einnahmen durch Übernachtungen, geführte Ausflüge und Beobachtungstouren, Gastronomie und Transportwesen bei rund 1,65 Millionen US-Dollar. Beim Spitzenreiter, dem Tortuguero National Park („Tortuga“ ist das spanische Wort für Schildkröte) in Costa Rica, werden sogar 6,7 Millionen Dollar erzielt. Mittlerweile unternehmen jedes Jahr etwa 175.000 Menschen Ausflüge in die Lebensräume der Meeresschildkröt en.
Sechs der insgesamt sieben verschiedenen Meeresschildkröten-Arten sind bedroht, drei davon stehen vor dem Aussterben. Der Handel mit Schildkrötenfleisch und Schildpatt und der Verzehr der Eier, die als Potenz steigernde Delikatesse gelten, sind nur zwei von vielen Gefahren, die ihnen durch die Menschen drohen. Jedes Jahr verenden rund 250.000 Meeresschildkröten als ungewollter Beifang bei der Fischerei nach Tun- und Schwertfischen. Und nicht jede Art von Tourismus dient den Schildkröten: Die Brutgebiete der Reptilien, die ihre Eier im schützenden Sand vergraben, werden vielerorts Opfer einer ungebremsten Strandbebauung.
Der WWF setzt sich in vierzig Ländern für den Schutz der Meeresschildkröten durch die Ausweisung von Schutzgebieten und durch die Entwicklung alternativer Fischfangmethoden ein. Ökotourismus ist nach Ansicht des WWF eine sinnvolle Maßnahme zur Rettung der selten gewordenen Tiere. „Wirtschaftlicher Gewinn und das Überleben der Schildkröten schließen sich nicht aus. Der WWF will mit seiner aktuellen Studie dazu beitragen, dass die Menschen das einsehen“, so Stefan Ziegler.
(WWF, 26.05.2004 – NPO)