Nicht überall wo Klimaschutz drauf steht, ist auch Klimaschutz drin: Bioenergie hat bei genauerem Hinschauen keine klimaschonende Wirkung – eher im Gegenteil. Der Anbau von Energie-Pflanzen setzt sogar mehr potente Treibhausgase wie Methan und Lachgas frei und verschlingt große Landflächen, erläutern deutsche und australische Wissenschaftler. Die Lösung könne nur ein nachhaltiges Landmanagement bieten, schreiben die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“.
Klimaschutz durch Bio-Energie klingt angenehm einfach: Anstatt mit fossilen Brennstoffen heizt man mit Holz oder Pellets und aus Pflanzen wie Raps lässt sich Biodiesel herstellen. Diese Energiequellen setzen zwar auch Kohlendioxid (CO2) frei, aber nur so viel, wie die Pflanzen vorher fixiert haben. Also ist alles CO2-neutral. Aber bedeutet das auch „klimaneutral“?
Lachgas und Methan als zusätzliche Klimakiller
Leider nein, sagt Ernst-Detlef Schulze vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena, denn CO2 ist nicht das einzige klimaschädliche Treibhausgas. Lachgas und Methan setzt der Mensch zwar in wesentlich geringeren Mengen frei, ihre klimaschädliche Wirkung ist aber deutlich größer. Lachgas hat einen 256-mal stärkeren Treibhauseffekt als CO2, Methan immerhin einen 28-mal größeren. Aus diesem Blickwinkel hat Schulze zusammen mit seinem Kollegen Josep Canadell von der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) verschiedene Möglichkeiten pflanzlicher Energiequellen und deren Nutzen für den Klimaschutz analysiert.
Die Ergebnisse sind ernüchternd: Die Stickstoffdünger, die beim Anbau von Zuckerrohr, Raps und anderen biologischen Energieträgern in zu großen Mengen verwendet werden, setzen viel Lachgas frei. Den Wissenschaftlern zufolge machen die kombinierten Emissionen von Lachgas und Methan aus der Landwirtschaft und der Viehzucht den klimaschützenden Effekt der weltweiten Vegetation zunichte.
Hinzu kommt, dass Pflanzen sehr ineffiziente Energie-Sammler sind: „Die Photosynthese nutzt nur 0,6 Prozent der Sonnenenergie, um Biomasse aufzubauen“, erklärt Schulze. „Im Vergleich dazu erreicht eine Solarzelle eine Energieausbeute von etwa 30 Prozent.“ Anbauflächen für Biomasse wären demnach mit Solarzellen sinnvoller bestückt: „Die gleiche Energiemenge ließe sich mithilfe der Fotovoltaik also auf einem Bruchteil der Fläche gewinnen.“
Wälder fallen für Anbauflächen
Pflanzliche Ökosysteme, insbesondere ausgedehnte Waldflächen wie die tropischen Regenwälder, speichern nämlich große Mengen CO2. Genau diese Ökosysteme müssen aber immer häufiger neuen landwirtschaftlichen Anbauflächen weichen, unter anderem für Energiepflanzen. Auch diese abgeholzten CO2-Speicher drücken die Klimabilanz der Bioenergie nach unten.
Wenn Pflanzenreste wie etwa Stroh nicht auf dem Feld verbleiben, sondern verbrannt werden, sinkt außerdem der Kohlenstoffgehalt der Böden – die Bewirtschaftung ist dadurch nicht mehr nachhaltig und erfordert weitere Rodungen. Durch eingesparte fossile Brennstoffe lassen sich solche Schäden in der gesamten CO2-Bilanz erst nach Jahrzehnten ausgleichen.
Viel mehr Land nötig als auf der Erde verfügbar
Eins hat die Bioenergie mit fast allen anderen biologischen Maßnahmen zur CO2-Ersparnis gemeinsam: Sie alle benötigen mehr Land und Pflanzen, die oft gleichzeitig als Nahrungsmittel, Energieträger, als Baumaterial oder dem Schutz der Biodiversität dienen können. Für all diese Zwecke steht jedoch kaum genug Land zur Verfügung: „Der Landbedarf, der nötig wäre, um all die Ansprüche wie Ernährung, Holzproduktion, Energiebedarf und eine Abschwächung des Klimawandels zu erfüllen, ist drei bis sieben Mal so hoch wie das tatsächlich verfügbare Land auf dieser Erde“, erklärt Candell.
Um diese Probleme zu bewältigen und Biomasse doch noch klimaschonend zu nutzen, müsste die Menschheit das verfügbare Land in Zukunft besser verwalten und effizienter nutzen, so die Wissenschaftler. In vielen anderen Regionen der Erde werden die Möglichkeiten, die Erträge der Ernten zu steigern, nicht ausgeschöpft und stattdessen weitere Waldflächen gerodet. Wichtig sei jedoch vor allem ein kontrollierter Einsatz von Düngemitteln: „Nur ein nachhaltiges, integriertes Landmanagement ohne Lachgas- und Methanemissionen kann beide Ziele erreichen: eine Abschwächung des Klimawandels und eine Erfüllung der menschlichen Bedürfnisse“, sagt Schulze. (Nature Communications, 2014; doi: 10.1038/ncomms6282)
(Max-Planck-Gesellschaft, 20.11.2014 – AKR)