Schiffslärm, Sonar, Ölbohrungen – der Ozean ist ein lauter Ort. Der lauteste Lärm aber stammt nicht von uns Menschen, sondern von einem natürlichen Phänomen: schmelzenden Eisbergen. Das stellten US-Forscher verblüfft fest, als sie einen dieser weißen Brocken bei seiner Drift von der Antarktis nordwärts belauschten. Die Eisberge knallen und knacken dabei so laut, dass selbst Unterwasser-Mikrophone am Äquator diese Geräusche noch einfangen können. Wie gut die Tiere des Meeres mit diesem Krach klarkommen, ist bisher noch unklar, so die Forscher im Fachjournal „Oceanography“.
Es war eine ungewöhnliche Idee: Forscher der Oregon State University wollten die Reise eines Eisbergs erstmals akustisch verfolgen. Parallel zu Beobachtungen per Schiff und Satellit zeichneten sie die von ihm erzeugten Geräusche mit einem ganzen Netz von Hydrophonen auf. Ihr Ziel war es dabei, solche natürlichen Unterwassergeräusche genauer zu erfassen, um diese mit dem menschengemachten Unterwasserlärm vergleichen zu können.
Der ausgewählte Eisberg hatte sich im Wedell-Meer in der Westantarktis gelöst und driftete dann zunächst langsam entlang der westantarktischen Halbinsel nordwärts. Mehrfach schrammte der mehr als hundert Meter tiefe Eisbrocken über flachere Stellen am Meeresboden. Die Tonaufnahmen registrierten dabei ein noch Tage später anhaltendes Brummen, ausgelöst durch Schwingungen im Eis. Als der Eisberg dann weiter nordwärts in wärmere Meeresbereiche gelangte, begann er zu schmelzen, auf seiner Oberfläche bildeten sich Schmelzwassertümpel.
So laut wie hundert Supertanker
Deutlich spannender war aber, was währenddessen unter Wasser geschah. Denn jetzt begann der Eisberg, scharfe, knallende Laute zu erzeugen. „Die Schall-Energie, die vom zerbrechenden Eisberg abgegeben wurde, entsprach der von mehreren hundert nahe vorbei fahrenden Supertankern“, erklärt Erstautor Robert Dziak von der Oregon State University. Dabei stammten die Geräusche keineswegs von Kollisionen des Eisbergs mit dem Meeresboden, denn diese erzeugen eher eine Art harmonisches Beben und Brummen. Das deutlich lautere scharfe Knallen entstand allein durch das Schmelzen und Auseinanderbrechen des Eises.
In kleinem Maßstab lässt sich dieses Phänomen in jedem Getränk mit Eiswürfeln beobachten: Gibt man die Würfel hinein, beginnen sie leise zu knacken, weil in ihnen Spannungen und Risse entstehen. „Wenn man das auf die Größe eines Eisbergs überträgt, bekommt man eine Ahnung, welche enormen Geräuschpegel dieser Prozess erzeugen kann“, erklärt Dziak. Die von den im Südpolarmeer zerbrechenden Eisbergen erzeugten Geräusche seien oft noch deutlich in Hydrophonen zu hören, die am Äquator im Meer positioniert sind.
Wirkung auf Meerestiere noch unklar
Wie aber kommen die Meerestiere mit diesem infernalischen Lärm zurecht? Die Forscher vermuten, dass sie sich zumindest bis zu einem gewissen Grad an das Knallen gewöhnt haben müssen – schließlich entsteht dieser Krach schon seit Jahrtausenden. Unklar ist aber, was geschieht, wenn durch den Klimawandel immer mehr Eisberge schmelzen und der Lärm entsprechend zunimmt. Für einige Meeresbewohner könnte es dann möglicherweise zu viel werden. „Noch wissen wir nicht, welche Auswirkungen dies haben könnte“, erklärt Dziak. Unter anderem deshalb sei es wichtig, weiter zu beobachten, welche Geräusche in den Ozeanen vorkommen und wie laut diese sind.
(Oregon State University, 11.07.2013 – NPO)