Von wegen leise dahinschmelzend: Die tauenden Zungen von Gletschern sind echte Krachmacher. In ihrer Umgebung ist es unter Wasser so laut wie ein Presslufthammer – selbst Schiffslärm und Sonar sind leiser. Der Grund sind unzählige Luftbläschen, die unter dem Eis freiwerden und mit lautem Plopp platzen, wie US-Forscher herausfanden. Wie die Meerestiere mit diesem Dauerlärm klarkommen, muss nun noch untersucht werden.
Die Fjorde, in denen Küstengletscher ins Meer münden, sind eine extrem dynamische Umgebung: Wellen schlagen an die Eisfront, Eisbrocken fallen herab und ab und zu kalbt ein ganzer Eisberg vom Gletscher ab. Unter Wasser taut währenddessen die Unterseite der Gletscherzunge allmählich ab. All diese Prozesse sind optisch relativ gut untersucht. Wie aber hört sich das an – beispielsweise für ein Meerestier in einem solchen Fjord?
„Die Geräuschumgebung im Meer gibt uns Hinweise auf die physikalischen Prozesse, die hier vor sich gehen“, erklärt Erin Pettit von der University of Alaska in Fairbanks. „Sie ist aber auch ein wichtiger Aspekt der Umwelt, in der Meeressäuger und Fische leben.“ Deshalb haben die Forscher dies nun genauer untersucht. Mit Hilfe von Unterwassermikrophonen tauchten sie ein in die Unterwasserakustik mehrerer Gletscherfjorde, darunter der Ice Bay und der Yakutat Bay in Alaska und der Andvord Bay in der Antarktis. In all diesen Fjorden münden Gletscherzungen ins Meer und kalben Eisberge.
So laut wie eine Kettensäge im Dauereinsatz
Das überraschende Ergebnis: Das normale Geräuschniveau in diesen Fjorden war höher als jeder andere bekannte Lärm im Meer und sogar lauter als ein Sturm, Schiffsmotoren oder Sonar. Die Forscher maßen eine jährliche Durchschnittslautstärke von 120 Dezibel – das entspricht der Lautstärke einer Kettensäge oder eines Presslufthammers. Am lautesten war es dabei im Frequenzbereich zwischen 1.000 und 3.000 Hertz, wie die Wissenschaftler berichten.
Der Ursprung des größten Unterwasser-Radaus ist allerdings nicht das Kalben von Eisbergen oder der Absturz großer Eisbrocken ins Wasser. Einen Großteil des Dauerlärms verursachte stattdessen das ganz normale Abtauen der Gletscherzungen: Schmilzt das Eis an der Gletscherunterseite, dann wird dabei auch Luft frei, die zuvor im Eis eingeschlossen war.
Geräuschteppich aus Plopp-Lauten
„Die Bildung dieser Blasen während des Gletschertauens ist die Hauptquelle des Lärms“, sagt Pettit. Die Blasen platzen, wenn sie sich vom Eis lösen und erzeugen dabei ein deutlich hörbares „Plopp“ Je nach Wasserströmung im Fjord kann dieses Geräusch dann noch verstärkt werden. Wie die Forscher berichten, war dieser Geräuschteppich aus Plopp-Lauten in allen drei untersuchten Gletscherfjorden das dominierende Geräusch.
„Diese hohen Geräuschniveaus beeinflussen sehr wahrscheinlich auch das Verhalten der Meeressäuger in diesen Gebieten“, sagt Pettit. „Wie Teenager bei einem lauten Konzert passen Wale und Seerobben ihr Verhalten und ihre Kommunikation an ihre Umgebung an.“ Das muss keineswegs immer negativ sein, wie die Forscherin betont.
Gletscher-Lärm als akustische Tarnung?
So sind gerade die Gletscherfjorde eine begehrte Kinderstube für Seehunde. Möglicherweise nutzen sie die laute Umgebung bewusst, um sich akustisch vor Killerwalen zu verstecken – denn diese jagen auch nach Gehör. Das könnte auch erklären, warum die Seehund-Population überall dort zurückgeht, wo die Gletscher sich schon so weit zurückgezogen haben, dass ihre Zungen nicht mehr die Fjorde erreichen: Die Seehunde verlieren hier ihre akustische Tarnung und werden stärker von Orcas gejagt, wie die Forscherin erklärt.
Die Forscher wollen nun den Zusammenhang zwischen der Tierwelt in den Gletscherfjorden und deren Geräuschniveau weiter untersuchen. Zudem arbeiten sie an einer Methode, mit der man die Abtaurate eines Gletschers anhand des Blasengeräuschs bestimmen kann. (Geophysical Research Letters, 20915; doi: 10.1002/2014GL062950)
(University of Alaska Fairbanks, 09.03.2015 – NPO)