Als die gewaltigen Eisschilde über Nordamerika am Ende der letzten Eiszeit zu schmelzen begannen, bildeten sie einen enormen See aus Süßwasser, viele Mal so groß wie die heutigen Great Lakes. Vor 8.400 Jahren dann ereignete sich die Katastrophe: Das Ufer brach und die Wassermassen ergossen sich in den Nordatlantik. Welche Folgen dieses Ereignis für das damalige Meer und Klima hatte, haben norwegische Forscher jetzt untersucht und berichten darüber in einer in „Science“ erschienen Studie.
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Etwa um die gleiche Zeit, in der der Schmelzwassersee sich in den Ozean ergoss, kühlten die Temperaturen im Nordatlantik und umliegenden Gebieten plötzlich scharf ab. Rund ein Jahrhundert lang blieb es kalt. Aber warum? War das Schmelzwasser schuld? Schon zuvor haben Wissenschaftler spekuliert, dass das Süßwasser möglicherweise die Meeresströmungen verändert haben könnte und damit vor allem auch das Absinken von Oberflächenwasser in die Tiefe unterband. Als Konsequenz dieser Fehlfunktion der nordatlantischen Umwälzpumpe wäre weniger warmes Wasser vom Golfstrom nach Norden nachgeflossen und der Nordatlantik hätte sich abgekühlt.
Tiefenströmung kehrte sich um
Genau diese Hypothese haben nun Helga Flesche Kleiven und ihre Kollegen von der Universität von Bergen nachgeprüft. Sie untersuchten die nacheiszeitliche Katastrophe mithilfe von Sedimentbohrkernen, die sie aus dem Meeresgrund südlich von Grönland bargen. In dieser Region strömt das abgesunkene Tiefenwasser wieder zurück nach Süden. Durch chemische Analysen erforschten die Wissenschaftlerinnen, ob sich diese Tiefenströmung vor 8.400 Jahren geändert hat.
Und tatsächlich: Genau zur Zeit des Schmelzwasserausflusses verändern sich die chemischen Parameter auf Werte, die in den gesamten letzten 10.000 Jahren nicht beobachtet worden sind. Dieser Umschwung deutet an, dass an dieser Stelle des Meeres das normalerweise aus dem Norden heranströmende, frisch entstandene Tiefenwasser durch von Süden kommendes, weitaus älteres Tiefenwasser ersetzt wurde. Das Wasser aus dem Nordatlantik war offenbar mindestens ein Jahrhundert lang zu schwach und nicht tief genug, um diese Rückströmung zu verhindern.
Relevanz auch für zukünftige Klimaänderungen
Die Forscher weisen außerdem nach, dass diese Phase der gestörten Strömung zeitlich exakt mit der Kälteperiode des nordatlantischen Klimas übereinstimmt. Damit zeigen sie auch, dass schon eine wenige Jahrzehnte anhaltende Störung der Tiefenströmung ausreicht, um das Klima sehr plötzlich und deutlich zu beeinflussen.
Zwar gibt es heute kein direktes Äquivalent zu dem gewaltigen Schmelzwassereinstrom in das Meer vor 8.400 Jahren. Aber dennoch sind die Ergebnisse auch für die Klimaforschung im Angesicht des Klimawandels interessant. Denn sie zeigen, dass die Zeiträume, in denen rapide Klimaumschwünge geschehen, so klein sein können, dass sie menschliche Gesellschaften empfindlich treffen könnten. Und auch wenn ein Schmelzwassersee fehlt – angesichts der schmelzenden Gletscher in Grönland und anderswo ist die Problematik des Süßwassereinstroms ins Meer durchaus real.
(Univerität Bergen, 10.12.2007 – NPO)