Das Unlesbare lesbar gemacht: Forscher haben erstmals den Inhalt eines Papyrus aus Herculaneum entziffert – ohne ihn entrollen zu müssen. Mit Hilfe einer Röntgenmethode gelang es, Buchstaben und Wörter aus dem Inneren der Rolle lesbar zu machen. Das eröffnet ganz neue Möglichkeiten, die zahlreichen beim Ausbruch des Vesuv verkohlten Schriftrollen zu entziffern.
Als der Vesuv im Jahr 79 nach Christus ausbrach, begrub er die Städte Pompeji und Herculaneum unter meterdicken Aschenschichten. In Herculaneum wurde damals auch eine ganze Bibliothek mit hunderten Papyrusdokumenten verschüttet. „Diese reiche Sammlung, die vorwiegend philosophische Texten der Epikureer enthält, ist ein einzigartiger Kulturschatz“, erklären Vito Mocella von der Universität Neapel und seine Kollegen. „Denn es ist die einzige Bibliothek, die zusammen mit ihren Büchern erhalten blieb.“
Entrollen unmöglich
Die Entzifferung der Papyri aber ist ein Problem: Viele der Rollen sind verkohlt und so zusammengepresst, dass sie sich nicht entrollen lassen, ohne zu zerfallen. Hinzu kommt, dass die antiken Schreiber eine auf Ruß basierende Tinte benutzten. Damit aber bestehen die verkohlten Papyri und ihre Beschriftung aus fast dem gleichen Material und absorbieren Röntgenstrahlung auf die gleiche Weise.

Die Forscher haben nun jedoch eine neue Methode ausprobiert, die Röntgen-Phasenkontrast-Tomografie (XPCT). Sie nutzt nicht Unterschiede in der Absorption der Strahlung, um Kontraste zu erzeugen. Stattdessen werden kohärente – im Gleichtakt schwingende – Röntgenstrahlen auf die Probe gestrahlt. Weil die rußige Tinte beim Schreiben nicht in den Papyrus eindrang, sondern als leicht erhabene Schicht eintrocknete, reflektieren und brechen die Buchstaben das Röntgenlicht etwas anders als der Papyrus. Dieser Unterschied erzeugt in den wiederaufgefangenen Strahlen eine Phasenverschiebung, die ausgewertet und als Kontrast dargestellt werden kann.