Eine Erdbebenserie mit mehr als zehn schweren Erdstößen hat die Bewohner des Karibikstaates Haiti in Angst und Schrecken versetzt – und offenbar für viele Todesopfer gesorgt. Das heftigste Beben gestern um 22.53 Uhr Mitteleuropäischer Zeit (MEZ) hatte laut der amerikanischen Erdbebenwarte USGS in Denver eine Stärke von 7,0 auf der Momentmagnitude. Das Zentrum des Bebens lag nur 15 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Port-au-Prince, wo unter anderem der Präsidentenpalast beschädigt wurde.
{1r}
Vor allem in Port-au-Prince aber auch in anderen Orten der betroffenen Region stürzten unter der Wucht des Naturereignisses tausende Gebäude ein und begruben die Bewohner unter den Trümmern. Zudem brachen das Telefonnetz und die Stromversorgung weitgehend zusammen.
Hauptstadt besonders betroffen
Genaue Berichte über Opferzahlen liegen zurzeit noch nicht vor. Experten gehen aber von hunderten oder tausenden Toten aus. Zehntausende Menschen wurden obdachlos. Inzwischen suchen Helfer – zum Teil mit bloßen Händen – fieberhaft nach Verschütteten. Die Rettungsarbeiten werden unter anderem von den zahlreichen Nachbeben nach dem stärksten Erstoß in Haiti in den letzten 200 Jahren behindert.
Entdeckte und geborgene Verletzte können nur notdürftig versorgt werden, da es kaum Möglichkeiten zum Abtransport in Krankenhäuser gibt. Nach Angaben der Welthungerhilfe steht zu befürchten, dass es vor allem in den dicht besiedelten Armengebieten der Hauptstadt viele Opfer gegeben hat. Mitarbeiter vor Ort berichten von zahllosen Leichen, die sie auf den Straßen der Hauptstadt gesehen haben. Über das Ausmaß der Schäden auf dem Land ist noch nichts bekannt.
Deutsche Hilfe im Anmarsch
Die Welthungerhilfe stellte 100.000 Euro Soforthilfe für die Opfer des schweren Erdbebens bereit und schickt umgehend ihr Nothilfeteam in die betroffene Region, um die Hilfsaktion zu koordinieren. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) bereitet dagegen den Einsatz eines mobilen Krankenhauses vor, das vom DRK Logistikzentrum in Berlin-Schönefeld nach Haiti gebracht werden kann. Gleichzeitig wird DRK-Personal aus der Region nach Port-au-Prince entsendet.
Das mobile Krankenhaus ist vergleichbar mit einem deutschen Kreiskrankenhaus und hat einen Wert von 1,5 Millionen Euro. Auch stehen mobile Gesundheitsstationen und Trinkwasseraufbereitungsanlagen bereit, falls dies notwendig wird.
Medizinische Versorgung katastrophal – schon vor dem Beben
„Es gab schon vor dem Erdbeben keine medizinische Versorgung und kein funktionierendes Katastrophenschutzsystem auf Haiti. Die Menschen sind auf Hilfe angewiesen, und die muss von Aussen kommen“, sagte DRK-Präsident Rudolf Seiters, der im Dezember 2009 vor Ort war. „Zurzeit läuft unsere Logistik auf Hochtouren. Wir koordinieren uns mit Rotkreuzgesellschaften in der ganzen Welt, um zu planen, wer was nach Haiti bringen kann“, so Seiters weiter.
Haiti gehört zur Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder der Erde. Nach dem Human Development Index 2009 liegt der karibische Staat auf Platz 149 von insgesamt 182 Ländern. Die seit Jahrzehnten instabile politische Lage und die prekäre wirtschaftliche Situation des Landes, die fortgeschrittene Umweltzerstörung und Überbevölkerung haben zur Verelendung eines großen Teils der Bevölkerung geführt.
Region könnte aus den Fugen geraten
„Haiti ist das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Die hohen Nahrungsmittelpreise haben die Lage in den vergangenen beiden Jahren weiter verschärft. Es gab Hungeraufstände, und jetzt wurde ihnen auch noch das wenige an Besitz genommen“, sagte Michael Kühn, Regionalkoordinator der Welthungerhilfe in Haiti.
Kühn schätzt auch die Sicherheitslage als kritisch ein: „Dass in der Hauptstadt Präsidentenpalast und Kathedrale zerstört wurden, hat die Haitianer tief erschüttert. Präsidentenpalast und Kathedrale haben großen Symbolcharakter für Staatsgewalt und Religion. Die Region ist ohnehin fragil und könnte durch dieses Ereignis komplett aus den Fugen geraten. Die internationale Gemeinschaft muss entschlossen reagieren und wir brauchen dringend Spenden, um schnell helfen zu können.“
Unser Special zum Erdbeben in Haiti finden Sie hier
(Welthungerhilfe/DRK, 13.01.2010 – DLO)