Während ihres Lebens produzieren sie Kalk und binden dabei Kohlenstoff aus der Wassersäule. Wenn sie sterben, lagert sich dieser am Meeresboden ab: Tiere wie Seesterne und Seeigel, so genannte Echinodermata, spielen offenbar eine viel größere Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf als bisher vermutet. Auf der anderen Seite sind sie durch die zunehmende Ozeanversauerung gefährdet. In einer Studie in der Fachzeitschrift „Ecology Monographs“ hat ein internationales Forscherteam nun erste Einschätzungen über ihren Einfluss auf das gesamte marine Ökosystem vorgelegt.
Um ihre Schutzhüllen oder Skelette zu bilden, aber auch für verschiedene andere Prozesse, verbrauchen Echinodermata Kohlenstoff aus dem Meerwasser. Zu dieser Tiergruppe, die in allen Meeren vom Gezeitenbereich bis zur Tiefsee vertreten ist, gehören Seesterne, Seeigel, Schlangensterne, Seegurken und Seelilien.
Kalkbildung als „Hobby“
Bei der Kalkbildung nehmen sie Kalzium und Magnesium in unterschiedlichen Proportionen in ihre Körper auf. Ihre Skelette schließen somit eine bedeutende Menge von anorganischem Kohlenstoff ein, der aus der Atmosphäre ins Wasser gelangt. Diesen Kohlenstoff geben die Echinodermata an den Meeresboden ab, wenn sie sterben.
Anders als der von Plankton oder Algen aufgenommene Stoff wird er also nicht in der Wassersäule remineralisiert. Die neue Studie in den ESA Ecological Monographs belegt nun erstmals den bedeutenden Einfluss von Echinodermata auf das organische wie anorganische Kohlenstoffbudget in den Ozeanen.
Ungewissheiten im globalen Kalziumkarbonat-Haushalt aufgedeckt
„Unsere Abhandlung verdeutlicht, dass wir erst wenig über die weitreichenden Kohlenstoffprozesse wissen, in die Kalk bildende Arten wie Echinodermata eingebunden sind. Damit deckt sie eine der größten Ungewissheiten im globalen Kalziumkarbonat-Haushalt auf. Uns ist es wichtig, dass der Beitrag des Benthos, also der am Meeresboden lebenden Organismen wie Echinodermata, auf den globalen Kohlenstoffkreislauf neu bewertet wird“, erklärt Mario Lebrato vom Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR).
Modelle der so genannten „Biologischen Pumpe“, die die CO2-Aufnahme und Umsetzung durch Algen und Plankton beschreiben, sollten zukünftig auch die bodennah lebenden Organismen berücksichtigen. Schließlich verarbeiten sie mehr als eine Zehntel Gigatonne Kohlenstoff pro Jahr, was beispielsweise den Beitrag von Foraminiferen, den Kammerlingen, bei weitem übersteigt und nur knapp unter der Gesamtproduktion in der gesamten Wassersäule liegt. „Wir müssen dringend mehr Wissen über die biochemischen Prozesse am Boden gewinnen, die ebenso bedeutend wie die Abläufe im freien Wasser sind“, so Lebrato weiter.
Ozeanversauerung mit dramatischen Folgen?
Genauso wichtig ist den Forschern, mehr über die Folgen der Ozeanversauerung – eine Konsequenz der extensiven Nutzung fossiler Energieträger – für Echinodermata und andere Kalk bildende Arten zu erfahren. Erste Versuche lassen auf dramatische Auswirkungen schließen. Denn wenn der pH-Wert des Wassers sinkt, ist es für die Organismen schwieriger und schließlich sogar unmöglich, haltbare Kalkstrukturen aufzubauen.
„Je mehr geforscht wird, desto häufiger treten widersprüchliche Trends auf, die es erschweren, den Prozess als Ganzes zu verstehen“, räumt Lebrato ein. „Echinodermata sind ein gutes Beispiel für eine Art, die unerwartete Muster zeigt und uns als Wissenschaftler herausfordert.“
(idw – Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, 14.01.2010 – DLO)