Überraschende Erkenntnis: Noch bis vor 30.000 Jahren lebten am Oberrhein Flusspferde – mitten in der Eiszeit, wie neue Analysen von Fossilienfunden aus dem Oberrheingraben belegen. Die wärmeliebenden Großsäuger kamen demnach fast 80.000 Jahre länger in Deutschland vor als bisher angenommen und waren damit Zeitgenossen von typischer Eiszeitfauna wie Mammut, Wollhaarnashorn, Höhlenlöwe und Co. Das spricht für ein trotz Kaltzeit mildes Klima am Oberrhein.
Der Oberrheingraben zwischen Frankfurt und Basel ist nicht nur eine alte Nahtstelle der Erdkruste. In dieser tektonischen Senke herrscht auch bis heute ein besonders mildes Klima. Wie Landschaft, Lebenswelt und Klima am Oberrhein in der Vergangenheit aussahen, dokumentieren die verschiedenen Sedimentschichten des Grabens. Die obersten 30 Meter enthalten Ablagerungen und zahlreiche Fossilien aus den letzten 400.000 Jahren – und damit auch aus der letzten Eiszeit.
Afrika am Oberrhein
Zu den im Oberrheingraben gefundenen Fossilien gehören auch die Relikte von Flusspferden. Diese wärmeliebenden Großsäuger kommen heute nur noch in Afrika vor, ihre Knochen und Zähne zeugen aber davon, dass sie einst auch im Gebiet des heutigen Deutschland heimisch waren. Bisher gingen Paläontologen jedoch davon aus, dass diese Art bereits am Ende der letzten Warmzeit vor rund 116.000 Jahren aus unserer Region verschwand – es wurde den Tieren zu kalt, so jedenfalls dachte man.
Ob das stimmt, haben nun Forscher unter Leitung von Wilfried Rosendahl von den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen näher untersucht. Dafür datierten sie 30 urzeitliche Flusspferd-Fossilien neu, die in den obersten Sedimentschichten des Oberrheingrabens gefunden worden waren. „Es ist schon erstaunlich, wie gut die Knochen erhalten sind. An vielen Skelettresten war es möglich auswertbare Proben zu entnehmen“, sagt Ronny Friedrich vom Curt-Engelhorn-Zentrum für Archäometrie.
Flusspferde noch bis vor 30.000 Jahren
Das überraschende Ergebnis: Anders als gedacht gab es auch vor 48.000 bis 30.000 Jahren noch Flusspferde im Oberrhein-Gebiet – lange nach Ende der letzten Warmzeit. „Das Flusspferd ist am Rhein also ein waschechter Eiszeit-Bewohner“, sagt Rosendahl. Die eigentlich wärmeliebenden Tiere waren in unserer Region demnach gleichzeitig mit typischer Eiszeitfauna wie Mammut, Wollhaarnashorn, Höhlenlöwe und Co heimisch – theoretisch könnten sie sich sogar begegnet sein.
„Das zeigt, dass die Flusspferde in der Lage waren, sich gut an die entsprechenden Temperaturen und Umweltverhältnisse im kaltzeitlichen Oberrheingraben anzupassen“, erklärt Rosendahl. Nach Ansicht des Forschungsteams revidiert dies die bisher gängigen Vorstellungen von der Lebenswelt der letzten Eiszeit in Südwestdeutschland.
Refugium mit üppiger Vegetation
Zugute kam den Flusspferden damals, dass das Klima im geschützten Oberrheingraben auch während der Kaltzeit relativ mild blieb und sich deshalb dort eine üppige Vegetation halten konnte. „Die Isotopenanalysen zur Ernährung ergaben, dass die tonnenschweren Flusspferde neben Gewässern dort auch ausreichend geeignete Pflanzennahrung vorgefunden haben“, erklärt Rosendahl.
Belege dafür lieferten auch ergänzende Analysen fossiler Holzreste aus dieser Zeit. Sie zeigen, dass im Oberrheintal noch bis vor rund 40.000 Jahren Eichen mit rund 80 Zentimeter dicken Stämmen wuchsen – auch sie sind eine eher wärmeliebende Art. „In der letzten Eiszeit wuchsen in unserer Region noch stattliche Eichen – etwas, was wir bisher nicht für möglich gehalten haben“, sagt Rosendahl. Zusammen sprechen diese Funde dafür, dass der Graben selbst in der Eiszeit noch ein Refugium für wärmeliebendere Arten bildete.
Quelle: Klaus Tschira Stiftung