Überraschender Fund: Bei einer 4.000 Jahre alten Mumie aus der Wüste Taklamakan haben Forscher den ältesten bekannten Käse gefunden. Die Mumie mit dem Spitznamen „Die Schöne von Xiaohe“ trug Brocken dieses Urzeit-Käses wie eine Kette um den Hals, als Wegzehrung für das Jenseits, wie die Forscher berichten. Sie haben nun sogar das Rezept der kuriosen Grabbeigabe entschlüsselt.
Sie trägt den Spitznamen „Die Schöne von Xiaohe“: Die mumifizierte Leiche einer jungen Frau, die Forscher vor einigen Jahren in der Wüste Taklamakan im Westen Chinas entdeckt haben. Die 4.000 Jahre alte Mumie ist wegen des trockenen Wüstenklimas so gut erhalten, dass ihre Kleider, Haut, Haare und selbst die organischen Reste ihrer Wegzehrung für das Jenseits erhalten blieben. Um ihren Hals trug die Schöne Unbekannte ein Collier der ungewöhnlichen Art: Brocken einer unbekannten organischen Substanz.
Hilfe von Proteinforschern
Um herauszufinden, worum es sich handelte, bat der Archäologe Yimin Yang von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking deutsche Forscher um Hilfe: Andrej Shevchenko vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden und seine Kollegen analysieren in ihren Laboren normalerweise Proteine und Fette in Zellen von Fruchtfliegen oder Fadenwürmern. „Die Archäologie hatten wir eigentlich nie auf dem Schirm“, sagt Shevchenko.
Doch um den organischen Schmuck der Mumie mit modernsten Proteomik-Methoden zu analysieren, waren die Proteinforscher genau die Richtigen. Denn Proteine tragen sehr viel Informationen in Molekülform in sich: So kann die Anordnung der Aminosäuren, aus denen die Proteine bestehen, auch Hinweise auf Verarbeitungsvorgänge, wie etwa Fermentation, enthalten. „Die bisher in der Archäologie genutzten Analysemethoden nahmen immer die DNA oder Fette in den Blick – dabei sind die aber bei sehr alten organischen Proben oft völlig unbrauchbar“, erklärt Shevchenko.
Käse als Wegzehrung im Jenseits
Die Analysen der Forscher ergaben, dass es sich bei den Krümeln um die Überreste von Käse handelte, den man der Dame bei ihrem Tod etwa um 2.000 vor Christus als Grabbeigabe auf die Reise ins Jenseits mitgegeben hatte. Der früheste archäologische Hinweis auf Käseherstellung stammt zwar bereits aus der Jungsteinzeit um 5.500 v. Chr., dabei handelt sich aber nur um einen indirekten Nachweis: Milch-Rückstände in Gefäßen. Der Mumien-Käse repräsentiert nun den ältesten direkten Fund von Überresten eines Käses, wie die Forscher berichten.
Und auch das Rezept dieses uralten Käses entschlüsselten die Forscher: Er wurde durch den Einsatz von Bakterien und Hefe hergestellt, wie die Analysen von Shevchenko und seinen Kollegen ergaben. Das heute oft bei der Käseherstellung eingesetzte Lab kam hingegen nicht zum Einsatz. Diese Substanz aus den Mägen junger Wiederkäuer fördert das Ausfällen des Milcheiweißes und macht den Käse damit schneller fest. Es geht aber offenbar auch ohne: „Für die Produktion des Mumien-Käses mussten keine Jungtiere geschlachtet werden – ein großer Vorteil dieses Herstellungsverfahrens“, sagt Shevchenko.
Das simple Käserezept könnte dazu beigetragen haben, dass sich Viehhaltung im größeren Maße auch in ganz Asien verbreitet hat. „Die Herstellung dieses Kefir-Käses ist einfach, er wird nicht schnell ranzig oder verdirbt – der Käse hat die besten Voraussetzungen dafür, in Massenproduktion hergestellt zu werden“, so der Proteinfroscher. Bei der Fermentation mit Kefirknollen entsteht außerdem als Vorstufe zum Käse das als Kefir bekannte probiotische Milchgetränk, beide Produkte enthalten kaum Laktose. Für die in Asien lebenden Bevölkerungsgruppen war dies wichtig, denn bei ihnen ist Laktoseintoleranz die Regel. Unfermentierte Milch bereitet diesen Menschen starke Verdauungsprobleme.
2.000 Jahre alte Brotreste
Dass Proteomik der Archäologie wertvolle Informationen liefern kann, zeigt auch ein anderes Archäologie-Projekt, dass die Max-Planck-Forscher gerade abgeschlossen haben: In ihrer Schreibtischschublade hat Anna Shevchenko noch einige Plastikröhrchen mit hellbraunen Krümeln – es handelt sich um 2500 Jahre alte Grabbeigaben, die bei Ausgrabungen auf der antiken chinesischen Begräbnisstätte Subeixi gefunden wurden.
„Auch bei diesem Projekt haben wir die Protein-Rückstände aus einer getöpferten Tonschale analysiert und konnten danach das prähistorische Rezept eines Sauerteigbrots rekonstruieren“, so Anna Shevchenko. Ihrer Ansicht nach eröffnet dieser Ansatz für die Analyse von organischen Resten auf archäologischen Funden ganz neue Möglichkeiten. (Journal of Archaeological Science, 2013; doi: 10.1016/j.jas.2014.02.005)
(Max-Planck-Gesellschaft, 06.03.2014 – NPO)