Achtung Stromschlag: Der Marsmond Phobos könnte buchstäblich elektrisierend sein, wie Forscher herausgefunden haben. Denn die Oberfläche des Mondes lädt sich durch den Sonnenwind und Sonnenstürme elektrisch auf. Auf der Nachtseite des Mondes kommt es dabei zu einer Ladungstrennung, die die sensible Elektronik zukünftiger Landesonden, aber auch die Schuhe und Anzüge von Astronauten unter Strom setzen könnte.
Der Marsmond Phobos ist auf den ersten Blick eher unscheinbar: Er ist nur knapp 25 Kilometer groß, unregelmäßig geformt und ziemlich kahl. Auch eine Atmosphäre fehlt ihm. Dafür verblüfft er mit ungewöhnlicher Leichtigkeit, rätselhaften Gräben und Anzeichen für eine hohe Instabilität.
Trotz seiner Eigenheiten könnte der kleine Phobos aber für die Raumfahrt zu einem wichtigen Vorposten im All werden. Denn seine geringe Schwerkraft macht es leicht, Vorräte, Material und Raumsonden auf ihm zu landen und auch wieder von ihm zu starten. Er könnte daher künftig als Zwischenstation bei der bemannten Erkundung des Mars dienen.
Negativ aufgeladen
Jetzt jedoch haben William Farrell vom Goddard Space Flight Center der NASA und seine Kollegen eine potenzielle Gefahr für künftige Missionen ausgemacht: Vor allem auf der Nachtseite des Phobos ist der Untergrund wahrscheinlich elektrisch aufgeladen. Die Oberfläche könnte dort und auch im schattigen Inneren des großen Stickney-Kraters, mehrere hundert Volt negativer Spannung aufbauen, wie die Forscher ermittelten.
Indizien dafür lieferten Daten der NASA-Raumsonde MAVEN, die zurzeit im Marsorbit dessen Atmosphäre, aber auch den Einstrom des Sonnenwinds misst. Kombiniert mit Modellsimulationen zeigten die Messungen, dass Phobos sich immer dann elektrisch auflädt, wenn er auf der Sonnenseite des Mars steht und daher dem Sonnenwind voll ausgesetzt ist.
Ladungstrennung im Windschatten
Ursache der elektrischen Aufladung ist dabei das Zusammenspiel des Sonnenwinds mit der Topografie des Marsmonds, wie die Forscher erklären. Wegen seiner geringen Größe und steilen Gefälle umfließen die geladenen Teilchen den Phobos zwar, aber auf seiner Rückseite kommt es zu einer Ladungstrennung: In Bodennähe bildet sich ein Überschuss negativ geladener Elektronen, währen die positiv geladenen Ionen des Sonnenwinds weiter außen vorbeifliegen.
Der Grund dafür sind die unterschiedliche Größe und Masse der geladenen Teilchen: „Die Elektronen sind wie wendige Kampfjets – sie können schnell wenden und ein Hindernis umfliegen“, erklärt Farrell. „Die Ionen dagegen sind wie große, schwere Frachtflugzeuge, sie können ihre Flugrichtung nur langsam verändern.“ Dadurch überwiegt auf der Oberfläche der sonnenabgewandten Seite die negative Ladung.
Raumanzug unter Strom
„Astronauten oder Roboter könnten daher signifikante Mengen elektrischer Ladung akkumulieren, wenn sie die Nachtseite von Phobos durchqueren“, berichtet Farrell. Bei jedem Schritt nimmt der Astronaut dabei mehr statische Ladung auf. „Zwar wären diese Ladungen nicht stark genug, um einem Astronauten direkt zu schaden, sie reichen aber aus, um sensible Instrumente und Ausrüstung zu beeinträchtigen.“
Wie die Forscher ausrechneten, könnte ein Astronaut im Extremfall durch die ständige Reibung seiner Schuhe am Phobos-Regolith bis zu zehntausend Volt Spannung als statische Ladung anreichern. Dies gilt vor allem für teflonbasierte Raumanzüge und Schuhe, wie sie beispielsweise die Apollo-Astronauten auf dem Mond trugen. Sobald der Astronaut dann ein leitfähiges Bauteil oder Instrument berührt, springt diese Ladung über. Das erzeugt einen Schlag, wie wir ihn nach dem Gang über einen Wollteppich an einer Türklinke erleben.
Ausrüstung sollte angepasst werden
„Wir sollten daher Raumanzüge und Ausrüstung so konzipieren, dass sie eine solche triboelektrische Aufladung minimieren“, raten die Forscher. Wichtig sei dies vor allem deshalb, weil die elektrische Aufladung der Marsmond-Oberfläche bei Sonnenstürmen deutlich stärker ausfällt als normal. „Der Aufladeeffekt war nach solaren Eruptionen wie den koronaren Massenausbrüchen besonders stark“, so Farrell.
Die Forscher vermuten, dass der zweite Marsmond Daimos ähnlich elektrisiert sein könnte – und möglicherweise auch andere kleinere Himmelskörper in unserer kosmischen Nachbarschaft. Dies könnte daher beispielsweise dann eine Rolle spielen, wenn in der Zukunft Bergbau auf Asteroiden betrieben wird. (Advances in Space Research, 2017; doi: 10.1016/j.asr.2017.08.009)
(NASA, 23.10.2017 – NPO)