Geowissen

Sonnensturm reichte bis in die Tiefsee

Magnetfeldstörungen veränderten selbst Kompasse in 2.700 Meter Meerestiefe

Polarlicht
Der starke Sonnensturm vom 11. Mai 2024 löste nicht nur Polarlichter aus, er machte sich sogar am Meeresgrund bemerkbar. © mericsso/iStock

Tiefreichende Folgen: Der starke Sonnensturm vom 11. Mai 2024 war selbst am Grund des Meeres spürbar. Noch in 2.700 Meter Tiefe veränderten die Störungen des Erdmagnetfelds die Kompassdaten eines unterseeischen Messnetzwerks vor Kanada. Die Kompasse wichen dadurch um bis zu 30 Grad von ihrer normalen Ausrichtung ab, wie Forschende berichten. Dies gibt wertvolle Hinweise darauf, wie ein solcher Sonnensturm das Erdmagnetfeld beeinflusst.

Unsere Sonne nähert sich dem Maximum ihres solaren Aktivitätszyklus – entsprechend viele und heftige Strahlungsausbrüche und Plasmaauswürfe durchlebt sie zurzeit. Einer der stärksten Sonnenstürme der jüngeren Geschichte ereignete sich am 11. Mai 2024, als ein geomagnetischer Sturm der höchsten Stufe G5 die Erde traf. Energiereiche, geladene Teilchen drangen dabei tief in die Erdatmosphäre ein und verursachten Polarlichter selbst in gemäßigten und südlichen Breiten.

Der Sonnensturm erzeugte aber nicht nur faszinierende Leuchterscheinungen, er beeinträchtige auch das irdische Magnetfeld. Der Käfig aus schützenden Magnetfeldlinien wird durch einen solchen Treffer stark eingedrückt und verformt.

Strömungs-Messgerät (ADCP)
Blick in einen geöffneten Acoustic Doppler Current Profiler (ADCP) mit dem weiß eingehausten Kompassmodul. © ONC

Ausschlag in den Kompassdaten

Das war auch am 11. Mai der Fall, wie das Team von Ocean Networks Canada (ONC) von der University of Victoria feststellte. ONC betriebt und unterhält ein Netzwerk von unterseeischen Messstationen vor den kanadischen Atlantik- und Pazifikküsten, die eigentlich vor allem Meeresströmungen und andere marine Daten erfassen sollen. Dafür sind neben weiteren Instrumenten auch sogenannte Acoustic Doppler Current Profilers (ADCP) am Meeresgrund verankert.

Um sie auszurichten und zu eichen, haben diese unterseeischen Messstationen auch Kompasse an Bord. Dass diese Kompasse auch auf himmlische Ereignisse reagieren, entdeckte Alex Slonimer von ONC schon im März durch Zufall. Als er die Daten der Strömungsmesser kontrollierte, fiel ihm eine Anomalie in den Messdaten auf. „Ich dachte erst, es wäre von einem Erdbeben, aber dafür waren die Veränderungen zu langanhaltend und sie traten parallel an verschiedenen Standorten auf“, erklärt der Forscher. Stattdessen erweis sich ein solarer Strahlungsausbruch als Ursache.

Magnetfeld-Anomalien
Abweichungen der unterseeischen Kompassmesswerte während des Sonnensturms am 11. Mai 2024. © ONC

Magnetrichtung um bis zu 30 Grad verschoben

Als nun am 11. Mai 2024 der „Super-Sonnensturm“ die Erde traf, konnten die ONC-Forscher erneut Reaktionen ihrer unterseeischen Messstationen beobachten – diesmal waren sie entsprechend ausgeprägt: Selbst 2.700 Meter tief unter der Ozeanoberfläche zeigten die Kompassdaten noch deutliche Magnetfeld-Anomalien. In einer solchen Tiefe wurden die Auswirkungen eines Sonnensturms noch nie zuvor direkt gemessen.

„Die Reichweite dieser Effekte bis zu Messstationen kilometertief unter der Meeresoberfläche unterstreicht das Ausmaß des solaren Strahlungsausbruchs an diesem Wochenende“, sagt Kate Moran vom ONC. In flacherem Wasser, wie beispielsweise in der Folger Passage nahe Vancouver, wichen die während des Sonnensturms gemessenen Kompasswerte um bis zu 30 Grad von der korrekten Richtung ab. „Solche Daten könnten in Zukunft nützlich sein, um die geografische Ausdehnung und die Intensität solcher Sonnenstürme besser zu verstehen“, so Moran.

Weitere Magnetanomalien zu erwarten

Solche Messungen könnten vor allem in den nächsten Monaten und Jahren hilfreich sein, wenn die Sonne ihr Aktivitätsmaximum erreicht. „In den nächsten zwei Jahren werden wir den Peak des elfjährigen Sonnenzyklus erleben“, sagt Justin Albert von der University of Victoria. „Nach einem Jahrzehnt relativer Ruhe werden Polarlicht-Ereignisse wie am 11. Mai in der nächsten Zeit häufiger vorkommen, auch wenn die Variabilität der solaren Aktivität eine Vorhersage unmöglich macht.“

Quelle: University of Victoria

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