Der starke Sonnenwind ist schuld daran, dass der innerste Planet des Sonnensystems ein ungewöhnlich schwaches Magnetfeld besitzt. Denn der enorme Einstrom energiereicher, geladener Teilchen stört die elektromagnetischen Wechselwirkungen im Inneren des Merkur. Dadurch werden die Prozesse geschwächt, die die Magnetfelder im Planeteninneren entstehen lassen und nach außen bringen. Das berichtete ein Forscherteam im Fachmagazin „Science“. „Der Dynamoprozess im Merkurinnern wird durch die Wechselwirkung fast im Keim erstickt“, sagt Studienleiter Karl-Heinz Glaßmeier von der Technischen Universität Braunschweig.
Die Magnetfelder von Planeten entstehen nach dem Dynamoprinzip: Wenn sich ein metallisches, stromleitendes Material – in diesem Fall flüssiges Eisen – gegenüber einem anderen Leiter bewegt, fließen nicht nur Elektronen, es entsteht auch ein Magnetfeld. Bei der Erde ist es stark genug, um nicht nur Kompasse abzulenken, sondern auch, um tödliche Strahlen- und Teilchenstürme aus dem All von der Planetenoberfläche fernzuhalten.
Magnetfeld schwächer als es sein sollte
Nach bisherigen Annahmen sollte dieser Dynamoeffekt auch beim Merkur zum Tragen kommen und in dessen Metallkern ähnliche Magnetfeldstärken erzeugen wie bei der Erde. Doch Merkurs Magnetfeld ist etwa 150-mal schwächer als das unseres Planeten. Das habe die Raumsonde Messenger der US-Raumfahrtbehörde NASA in den letzten Jahren bestätigt, sagen die Forscher. Eine mögliche Ursache für das schwächelnde Magnetfeld könnte die Lage des Merkur sein, so die Ausgangsüberlegung der Wissenschaftler: Als innerster Planet des Sonnensystems umkreist er die Sonne in nur durchschnittlich 58 Millionen Kilometern – einen Drittel des Erdabstands. Dadurch ist er dem ständigen Strom energiegeladener Teilchen des Sonnenwinds verstärkt ausgesetzt.
Mit Hilfe von Computermodellen haben die Forscher mögliche Folgen dieser Wechselwirkung modelliert und festgestellt, dass der Sonnenwind tatsächlich zu einer Rückkopplung des Dynamos führen kann. Der Einfluss der geladenen Teilchen dränge das Magnetfeld dabei so weit in das Innere des Planeten zurück, dass es die Merkuroberfläche kaum erreiche.
Simulation blickt virtuell in Planetenkern
„Derartige Simulationen des Dynamoprozesses sind die einzige Möglichkeit, gewissermaßen in den Eisenkern hineinzuschauen und Vorhersagen zur Stärke und Struktur des Magnetfelds zu treffen“ sagt Mitautor Johannes Wicht vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Doch zumindest in Teilen könnte ihr Modell in den nächsten Jahren durch Messdaten Unterstützung erhalten. Denn die US-Raumsonde Messenger wird das Merkur-Magnetfeld in den nächsten Jahren genauer vermessen. Und ab 2020 erwarten die Wissenschaftler weitere Messdaten von den beiden 2014 startenden Satelliten der europäisch-japanischen Mission BepiColombo. (Science, 2011; doi: 10.1126/science.1207290)
(TU Braunschweig / Science, 02.01.2012 – NPO)