Evolution

Spinnen webten ihre Netze schon vor 230 Millionen Jahren

DNA-Vergleich belegt gemeinsamen Ursprung aller Netzformen

Eine echte Radnetzspinne (Araneidae) in ihrem typischen Netz aus geraden Fäden mit feinen Leimtröpfchen. © Gustavo Hormiga

Schon vor mehr als 230 Millionen Jahren spannten Webspinnen ihre ersten Radnetze – zu einer Zeit, als sich gerade die ersten Dinosaurier entwickelten. Die Vorfahren aller heutigen Spinnen lebten damit 60 Millionen Jahre früher als bisher anhand von Fossilfunden angenommen. Das hat ein internationales Forscherteam anhand von genetischen Vergleichsanalysen herausgefunden. Aus den Ergebnissen gehe auch hervor, dass sich alle von den heutigen Spinnen eingesetzten Techniken des Netzbaus aus einer gemeinsamen Urform des Spinnennetzes entwickelten, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Proceedings of the Royal Society B“.

Die Webspinnen setzen heute ihre Spinnfähigkeit ganz unterschiedlich ein, um ihre Beute zu fangen: Kreuzspinnen und ihre Verwandten nutzen feine Leimtröpfchen, um ihre Fangnetze klebrig zu machen. Höhlenspinnen und andere echte Webspinnen weben ihre Netze dagegen ohne Leim. Sie produzieren stattdessen eine sehr feine, verknäuelte Spinnseide, in der sich die Beute-Insekten verfangen.

Wurfnetze und Leimkugeln

Einige Spinnen bauen heute gar keine klassischen Radnetze mehr, sondern nutzen Wurfnetze oder eine Leimkugel an einem Einzelfaden, um ihre Beute zu fangen. Jagdspinnen jagen sogar komplett ohne Netz und setzen ihre Spinnfähigkeit nur noch für Eikokons und als Sicherungsleine ein.

„Unsere Ergebnisse deuten auf einen gemeinsamen Ursprung all dieser Netzformen hin“, schreiben Studienleiter Gustavo Hormiga von der George Washington University im amerikanischen Washington und seine Kollegen. Allerdings hätten die Spinnen im Laufe ihrer Evolution viele heute ähnlich scheinende Netzbautechniken mehrfach unabhängig voneinander entwickelt.

Die Vorfahren dieser bunte gefärbten Radnetzspinne (Arkys sp.) aus Australien spannten ihre Netze bereits vor 230 Millionen Jahren. © Gustavo Hormiga

Kein reiner Räuber-Beute-Wettlauf

Der neue Stammbaum der Spinnen und ihrer Netzformen gibt auch Hinweise darauf, warum die Spinnen so vielfältige Netzbauformen entwickelten. Bisher habe man immer angenommen, dass die Netze immer ausgefeilter wurden, je mehr verschiedene Beute-Insekten es gab. „Dieser Theorie nach entwickelten sich Spinnennetze in einer Art evolutionärem Rüstungswettlauf zwischen Räuber und Beute“, schreiben die Forscher. Die neuen Ergebnisse deuteten jedoch daraufhin, dass die Geschichte der Spinnennetzformen komplexer sei als bisher angenommen.

„Umweltveränderungen, die Konkurrenz durch andere Spinnen und die Eroberung neuer Nischen spielten wahrscheinlich ebenfalls eine wichtige Rolle“, sagen Hormiga und seine Kollegen. So seien die einst komplexen Wälder der Karbonzeit durch das Massenaussterben vor 250 Millionen Jahren stark zurückgegangen. Bis zum Ende des Trias und des frühen Jura entwickelten sich diese Lebensräume und ihre Bewohner zu neuer Blüte. Mit ihnen könnten auch die Spinnen zahlreiche neue Nischen gefunden haben, meinen die Forscher.

Diese Spinne der Gattung Deinopis webt kein klassisches Radnetz mehr, sondern nutzt ein Wurfnetz, hier zwischen den vorderen Beinen zu sehen, um ihre Beute zu fangen. © Gustavo Hormiga

Genmarker von 192 Spinnenarten verglichen

Für ihre Studie hatten die Wissenschaftler den Stammbaum der Webspinnen mit Hilfe des Erbguts heute lebender Spinnen rekonstruiert. Sie verglichen dafür Struktur und Verteilung mehrerer genetischer Marker bei 291 Spinnenarten in 50 Familien. Mit Hilfe dieser Methode konnten sie den Ursprung der ersten Webspinnen bis in das mittlere Trias vor 230 Millionen Jahren zurückverfolgen.

Die ältesten bisher bekannten Fossilfunde von Webspinnen stammen dagegen erst aus dem mittleren Jura, der Zeit vor rund 170 Millionen Jahren. „Unseren Ergebnissen nach hatten sich zu dieser Zeit die meisten heute bekannten Spinnenfamilien bereits entwickelt“, sagen die Forscher. (Proceedings of the Royal Society B, 2011; doi:10.1098/rspb.2011.2011)

(Proceedings of the Royal Society B /dapd, 02.11.2011 – NPO)

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