Von wegen blond und hellhäutig: Die steinzeitlichen Europäer behielten die dunkle Haut ihrer afrikanischen Vorfahren offenbar länger als gedacht. DNA-Analysen eines vor 10.000 Jahren in England gestorbenen Mannes enthüllen, dass dieser noch dunkelhäutig war. Dafür aber besaß er bereits helle, blaue Augen. Möglicherweise etablierte sich die heute typische helle Haut der Europäer sogar erst mit der Jungsteinzeit, so die Vermutung der Forscher.
Als sich der Homo sapiens in Afrika entwickelte, hatte er eine dunkle Haut – angepasst an das sonnenreiche Klima. Doch als unsere Vorfahren dann vor rund 50.000 Jahren nach Europa zogen, kamen sie in deutlich sonnenärmere Gefilde. Ihre dunkle Haut war hier eher ungünstig: „Helle Haut kann UV-Licht besser absorbieren und das hilft, einen Vitamin-D-Mangel zu vermeiden“, erklärt Tom Booth vom Museum of Natural History in London.
„Deshalb hat man bis vor Kurzem gedacht, dass der Homo sapiens relativ schnell nach seiner Ankunft in Europa eine hellere Haut entwickelte“, so der Forscher. Hinweise darauf liefern auch DNA-Analysen, die Relikte von Neandertalergenen in den Erbgutbereichen für unsere Hautpigmentierung fanden. Das spricht dafür, dass unsere Vorfahren durch Kreuzungen mit den hellhäutigeren Neandertalern eine hellere Haut bekommen haben könnten.
DNA-Analyse beim „Cheddar Man“
Doch nun stellt das Skelett eines steinzeitlichen Mannes aus England dieses Szenario in Frage. Seine Überreste wurden schon 1903 in einer Höhle in Somerset entdeckt. Der „Cheddar Man“, wie er nach einer nahen Schlucht getauft wurde, war 1,66 Meter groß und bereits als junger Mann gestorben – warum, weiß man nicht. Datierungen ergaben, dass das Skelett rund 10.000 Jahre alt ist. Der Cheddar Man ist damit das älteste fast vollständige Skelett eines Homo sapiens in Großbritannien.
Um mehr über diesen steinzeitlichen Jäger und Sammler herauszufinden, haben nun Forscher des Natural History Museums den Versuch unternommen, sein Erbgut zu isolieren und zu analysieren. „Dabei suchen wir nach möglichst dichten Knochen, die die DNA in ihrem Inneren so gut wie möglich geschützt haben könnten“, erklärt Selina Brace. Beim Cheddar Man entnahmen sie dafür eine Probe aus einem Gehörknöchelchen – mit Erfolg.
Dunkle Haut, blaue Augen
Die DNA-Analyse enthüllte: Der Cheddar Man hatte eine überraschend dunkle Hautfarbe – er ähnelte eher einem Afrikaner als einem heutigen Europäer. Denn in seinem Genom fanden die Forscher genetische Marker für die Hautpigmentierung, wie sie heute bei den Bewohnern des südlichen Afrika vorkommen. „Das erinnert uns mal wieder daran, dass wir nicht einfach von dem heutigen Aussehen von Menschen auf das Aussehen ihrer frühen Vorfahren schließen können“, sagt Booth.
Interessant auch: Trotz seiner dunklen Haut hatte der steinzeitliche Cheddar Man bereits blaue Augen. „Es scheint, dass sich die helle Augenfarbe in Europa viel früher entwickelte als helle Haut oder blonde Haare“, erklärt Booth. „Die Europäer damals besaßen offenbar eine dunkle Haut und dunkelbraunes Haar. Aber die meisten von ihnen hatten dazu helle Augen, entweder blau oder grün.“
„Durchaus repräsentativ“
„Der Cheddar Man ist zwar nur eine einzelne Person, aber er könnte durchaus repräsentativ sein für die Bevölkerung Europas in der damaligen Zeit“, so der Forscher. Tatsächlich haben Anthropologen schon vor einigen Jahren in Spanien die nur 7.000 Jahre alten Überreste eines Steinzeit-Mannes mit ebenfalls dunkler Haut und blauen Augen entdeckt. Beides zusammen spricht dafür, dass zumindest die Europäer der Mittelsteinzeit noch dunkelhäutig waren – und dies selbst im damals noch mit dem Festland verbundenen England.
Helle Haut erst bei den ersten Bauern?
Anthropologen vermuten inzwischen sogar, dass sich die heute typische helle Haut der Europäer erst nach der Ausbreitung der Landwirtschaft – und vielleicht sogar noch später – etablierte. Denn ein DNA-Vergleich ergab vor einigen Jahren, dass sich das Aussehen der Europäer erst im Laufe der letzten 5.000 Jahre grundlegend wandelte.
Wie der Cheddar Man zu seinen Lebzeiten aussah, zeigen das Natural History Museum in London und der britische Sender Channel 4 anhand einer wissenschaftlichen Rekonstruktion. Auf Basis seiner Schädelmerkmale und der genetischen Marker haben Mitarbeiter einer Spezialfirma das Gesicht des steinzeitlichen Jägers und Sammlers rekonstruiert. „Natürlich sind Gesichtsrekonstruktionen immer teils Wissenschaft und teils Kunst“, sagt Booth. „Aber es gibt einige anatomische Standards, die durchaus verraten, wie die grundlegende Morphologie eines Gesichts aussah.“
(Natural History Museum London, 09.02.2018 – NPO)